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13 kleine Friesenmorde

13 kleine Friesenmorde

Titel: 13 kleine Friesenmorde
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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während der Saison mit den zumeist dem Preußischen und Hannoveraner Adel zugehörigen Pensionsgästen und nahm auch hin und wieder, wenn ihm danach zumute war, mit ihnen die übrigen Mahlzeiten ein.
    Seine Tochter und sein Schwiegersohn verwöhnten ihn in jeder Weise und freuten sich besonders über seine Zufrieden- und Bescheidenheit im Umgang mit ihnen und den Hausgästen. Sie achteten darauf, dass er in dem großen Haus, das zuweilen einem Bienenkorb glich, nicht zu kurz kam.
    Es wimmelte nur so von Diplomaten und Legationsräten, und im Büro sorgten ankommende Telegramme und Depeschen für eine stete Hektik, die selbst manchmal bis in die späte Nacht hineinreichte.
    Zu einer weiteren Ablenkung trug auch Enkel Folkmar bei. Er war ein aufgeschlossener und intelligenter Junge, der ihm sehr zugetan war.
    Nach dem Abendessen hatte sich Kapitän Betten auf sein Zimmer zurückgezogen und ließ sich vom Dienstmädchen einen Krug Bier auf das Zimmer bringen. Er stopfte den Porzellankopf seiner Pfeife, zündete den Tabak an, nahm die bei Fisser erworbene Taschenuhr aus dem wattierten Kästchen, hielt sie nachdenklich in der Hand, drehte und wendete sie im Licht der Stehlampe. Mit der schweren Kette gehörte sie zur Ausgeh- und Feiertagskleidung des gebildeten Angehörigen der oberen Bürgerschicht. Er hatte sie impulsiv gekauft, weil sie ihm ins Auge gefallen war. Ein Seemann hatte sich von ihr getrennt. Vielleicht hatte es ihm an Geld gefehlt für Dinge, die ihm wichtiger erschienen als die zum Statussymbol zählende Taschenuhr.
    Er entnahm dem Schrank den Karton mit den vielen Bildern und Andenken seiner weiten Reisen, paffte die Pfeife, zog an der Schnur, bestellte bei dem
     Dienstmädchen einen weiteren Krug Bier, durchstöberte die Fotos, eine Beschäftigung, die er sehr liebte und ihn in vergessene ferne Häfen zurückzurufen
     schien.
    Dabei stieß er auf ein Foto der »Santana«, vor der er sich mit seiner Mannschaft im Hafen von Rio de Janeiro hatte ablichten lassen.
    Er studierte die jungen Gesichter seiner Fahrensleute und erschrak, als er den Matrosen Pitt Luttmann erkannte. Er erinnerte sich an den Vorfall auf der Reise von Rio de Janeiro nach Pernambuco. Der Junge war über Bord gegangen, als er gegen seine Vorschrift vom Bug aus seine Notdurft ausgeführt hatte.
    Pitt kam aus Pilsum, ein hübscher, lustiger Bengel, auf den die Mädchen flogen, fuhr es Betten durch den Kopf.
    Er trank Bier, hob die lange Pfeife an, schabte denPorzellankopf frei, stellte sie ab, griff nach einer kühlen Pfeife und stopfte sie.
    Es hatte keine Zeugen an Bord gegeben. Doch wenn, dachte er und fühlte einen kalten Schauer, der ihm den Rücken runterlief.
    Er blickte auf die Taschenuhr. »P.L.« Natürlich, auch Pitt Luttmann hatte eine Taschenuhr besessen, daran konnte er sich noch erinnern. Doch sie hatte sich nicht bei seinen Habseligkeiten befunden, die er mit dem Steuermann nach seinem tragischen Ende in den Seesack gepackt hatte.
    »P.L.« für Pitt Luttmann, mein Gott, ein Zufall, den mathematisch zu bestimmen an Unmöglichkeit grenzte. Er besaß genügend edle Taschenuhren, mit Widmungen seiner Rederei, eine vom brasilianischen Konsul in Rio, um nur einige zu nennen. Er war auch von keiner Sammlerleidenschaft diesbezüglich motiviert gewesen, dennoch hatte ihn sonderbarer Weise irgendetwas zum Schaufenster geführt und zum Kauf bewogen.
    Kapitän Betten war weder ein Frömmler noch Kirchgänger, doch er glaubte an ein Leben nach dem Tode und an eine schicksalhafte Fügung der menschlichen Existenz.
    Wenn dem so war und die Seele des jungen Seemannes aus dem Jenseits nach Gerechtigkeit schrie, dann wolle er nicht fern stehen, dachte Folkmar Betten allen Ernstes und nahm sich vor, an die Eltern des Jungen zu schreiben, sich bei der Reederei zu erkundigen, wo seine Fahrensleute geblieben waren, denn, wenn das stimmte, was ihm durch den Kopf ging, dann war einer auf dem Foto vor der Santana in Rio ein Dieb, möglicherweise sogar ein Verbrecher.Auch auf Norderney war die Zeit nicht stehen geblieben. Bereits seit 1872 verkehrte der Schraubendampfer »Stadt Norden« täglich und regelmäßig zwischen der Insel und Norddeich. Er beförderte Passagiere und die Post, während der gesamte Frachtverkehr den Segelschiffen überlassen blieb.
    An einem schönen Sommertag nutzte Folkmar Betten die günstige Fährgelegenheit für den Besuch seines Vetters Hillrich Buck, der sich am Norder
     Ulrichs-Gymnasium als Kunsterzieher einen
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