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1209 - Die grauen Lords

Titel: 1209 - Die grauen Lords
Autoren: Unbekannt
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Blätter. Aber sie sahen so aus, wie der Bewohner einer Sauerstoffwelt sich einen Baum vorstellt. Sie wurden im Durchschnitt einen Meter groß und bewegten sich mit Hilfe eines komplizierten Wurzelwerks, das aus dem unteren Teil des Stammes wuchs. Ihre Wahrnehmungsorgane waren nahezu unsichtbar in der Oberfläche, sozusagen der Rinde, des Stammes untergebracht. Die Chrass verständigten sich untereinander und mit Wesen anderer Herkunft auf akustische Weise. Zu diesem Zweck brachten sie die Äste und Zweige ihres Körpers in vibrierende Bewegung und erzeugten auf summende, raunende und raschelnde Weise die Laute der Sprache, die von allen in Starsen gesprochen wurde. Für einen Außenstehenden war es zunächst schwierig, einen Chrass zu verstehen. Das akustische Wahrnehmungssystem des Nicht-Chrass bedurfte etlicher Zeit, um sich an die konsonantenreiche, vokalarme Sprechweise zu gewöhnen. Die Chrass ernährten sich auf verschiedenartige Weise. Der einfachste und daher am weitesten verbreitete Ernährungsmechanismus war so geartet, dass sie die Spitzen ihrer Zweige in mineralhaltiges Gestein versenkten, die zur Stillung des Hungers erforderlichen Minerale durch Injektion einer Körpersäure aus dem Gestein herauslösten und das entstehende Säure-Mineral-Gemisch durch die Zweigen den aufsaugten. Die Alai hatten dieser Vorliebe der Chrass nicht in hinreichen der Weise Rechnung getragen. Der 15 000 Seelen starken Chrass-Kolonie, die in der Peripherie von Starsen in höhlenähnlichen Wohngebäuden lebte, wurde hochwertige Konzentratnahrung zur Verfügung gestellt, die der Vorverarbeitung durch Körpersäure nicht bedurfte.
    Indem sie das Konzentrat zu sich nahmen, wurden die Chrass zwar rasch satt, aber im Lauf der Zeit bildete sich in ihren Körpern ein Säureüberschuss, der zu Unwohlsein, sogar Krankheit führte und durch Medikamente bekämpft werden musste.
    Krrrzssl war der Älteste der Chrass. Er wusste von dem Kavernensystem, das sich unter der Stadt ausbreitete, und da es gegenwärtig außer für die Zirkulierung von Vitalenergie zu nichts benützt wurde, fasste er den Entschluss, ein Experiment zu veranstalten. Er hinterließ den Mitgliedern des Ältestenrats Informationen über sein Vorhaben, damit sie im Notfall wüssten, wo sie nach ihm zu suchen hatten. Dann brach er auf.
    Der Abstieg in die Unterwelt gestaltete sich zunächst ereignislos. Krrrzssl hatte sich mit detaillierten Informationen versehen, so dass er nicht zu befürchten hatte, er werde sich im Gewirr der Stollen und Kavernen verirren. Er hatte beileibe. nicht vor, das gesamte Kavernensystem abzusuchen. Das wäre selbst für den Ältesten der Chrass, dessen Lebensdauer praktisch unbegrenzt war, eine zu langwierige Aufgabe gewesen. Er untersuchte mehrere große und kleine Höhlen und überzeugte sich, dass das Leuchten der grauen Felswände überall von gleicher Intensität war. Auch waren die Wände glatt und ohne Falten oder Risse. Die Sättigung mit Vitalenergie hatte offenbar den gewünschten Erfolg erbracht und den Einfluss der Graukraft unterdrückt.
    Krrrzssl wollte erfahren, ob das Volk der Chrass sich hier unten auf die gewohnte Art und Weise würde ernähren können, so dass es nicht mehr auf den Konzentratbrei angewiesen war, der von den automatischen Maschinen der Alai produziert wurde. An einer Stelle, die ihm geeignet erschien, hielt er an und griff mit einem seiner Äste zur nächsten Felswand hinüber. Das pinselförmige, dreigliedrige Zweigelement, in dem der Ast endete, drang ohne Mühe in die oberste Gesteinsschicht ein. Die Säuredrüsen in den Zweigspitzen traten von selbst in Tätigkeit. Krrrzssl sog das erste Quäntchen natürlich erzeugter Nahrung in sich auf und wurde nahezu euphorisch, als er bemerkte, um wieviel besser das Säure-Mineral-Gemisch schmeckte als der künstliche Brei, den sie an der Oberwelt zu essen bekamen.
    Der Älteste der Chrass war dem Genuss nicht abhold. Er ließ sich Zeit. Tropfen um Tropfen verteilte er die Säure durch die Zweigspitzen und sog voller Wohlbehagen das entstehende Gemisch. Bald spürte er, wie neue Kraft in ihm entstand, wie sein Wohlbefinden gesteigert wurde und das Gleichgewicht der Körpersäfte sich wieder einstellte. Das, schloss er, war das Paradies. Hierher würde er sein Volk führen, und wenn er den Alai darüber den Krieg ansagen müsste! So beschäftigt war er damit, die lange entbehrte Kostbarkeit zu genießen, dass er das Fremde erst spürte, als es fast schon zu spät
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