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1209 - Die grauen Lords

Titel: 1209 - Die grauen Lords
Autoren: Unbekannt
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gerieten vor Erregung ins Flattern. Sie kamen mit kurzen, trippelnden Schritten auf ihn zu. Um den Leib trugen sie einen breiten, grellblauen Gürtel. Das war ihr einziges Kleidungsstück. „Von dir haben wir erfahren", sagte einer der beiden in der charakteristisch schrillen Stimme des Irtipit-Volkes. „Du bist einer von denen aus dem Hochland, nicht wahr?"
    Jen Salik war längst stehengeblieben. Er schüttelte traurig den Kopf. „Ich weiß es nicht", antwortete er. „Ich habe das Gedächtnis verloren. „Auf jeden Fall ist er ein brauchbares Opfer!" schrillte der zweite Irtipit. „Wachen herbei!" Plötzlich wimmelte es vor dem großen Tor des Lebensdoms von Treumännern der Geriokratie. Jen Salik wurde gepackt und abgeführt. Er achtete bei allen Bewegungen darauf, dass der Halsausschnitt seines Overalls nicht verrutschte. Auf keinen Fall durften die Geriokraten den Zellaktivator zu: sehen bekommen. Der Innenhof war einen Kilometer weit. Es dauerte eine Zeitlang, bis die beiden Irtipit mit ihrem Gefangenen den Lebensdom erreichten. Anscheinend wurde es von ihresgleichen als besondere Leistung angesehen, dass ein Opfer außerhalb der regulären Tributleistungen eingebracht wurde. Jen Salik schloss dies daraus, dass er von den beiden, die ihn festgenommen hatten, nicht aus den Augen gelassen wurde, bis er vor ihren Blicken in einen weiten, von goldenem Licht erfüllten Schacht gestoßen wurde, in dem er unter dem Einfluss eines sorgfältig modulierten Schwerefelds sanft in die Tiefe sank.
    Er war enttäuscht. Er hatte gehofft, er werde den Ältesten der Geriokraten zu sehen bekommen. Aber die Geriokratie war offenbar eine effiziente Organisation: Opfer konnten auch ohne Anwesenheit des Ältesten dargebracht werden. Den Anblick des einen der beiden Grauen Lords würde er sich fürs erste entgehen lassen müssen. Nicht ohne Besorgnis blickte er dem Feuer entgegen, das in der Tiefe des Schachtes loderte. Er hatte sich Atlan gegenüber zuversichtlich geäußert, und er fühlte sich auch jetzt seiner Sache noch einigermaßen sicher. Aber aus der Ferne zu behaupten, der Aktivator werde ihn schützen, und aus der Nähe der Glut in die Augen zu sehen, waren zwei verschiedene Dinge.
    Dort unten, am Ende des Schachtes, lag der erste Vitalenergiespeicher - jener, an dessen Fuß Kerzl dem Ältesten der Geriokratie begegnet war, in jener längst vergangenen Zeit, als die Geriokraten sich noch schlicht „die Alten" nannten. Er würde sich dem Speicher anvertrauen. Er würde nicht wie die hilflosen Opfer der Geriokraten, die ihnen als Tribut von den Herren der Stadtviertel geliefert wurden, reagieren. Er würde das, was man die Überführung in eine andere Zustandsform nannte, bei vollem Bewusstsein erleben. Er würde endlich in Erfahrung bringen, wohin der Weg führte, den die Opfer gingen.
    Je tiefer er sank, desto mehr wuchs sein Vertrauen. Das goldene Feuer strahlte keine Hitze aus. Es war, daran glaubte er fest, nur in seiner Phantasie vorhanden. Irgendeine fremdartige Kraft war dort unten am Wirken, die die Tendenz besaß, sich der menschlichen Vorstellungskraft als goldene Flammen zu offenbaren. Er musste fest davon überzeugt sein, dass ihm dort unten nichts geschehen könne, dann war er in Sicherheit. Sie hatten seinen Zellaktivator nicht gefunden. Seine Kraft würde ihn schützen. Es konnte ihm nichts geschehen, wenn er dort unten in den goldenen Flammen versank. Er würde den Weg finden, der Starsen aus der Isolation führte und vor der Verwandlung in Grauleben bewahrte.
    Die Flammen griffen nach ihm. Er spürte ein Gefühl der Erleichterung, als er seiner körperlichen Substanz entblößt wurde. Erlöste sich auf. Er wurde zu Nichts. Es wurde dunkel ringsum.
     
    ENDE
     
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