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1208 - In den Katakomben von Starsen

Titel: 1208 - In den Katakomben von Starsen
Autoren: Unbekannt
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Felsleisten zogen sich wie Emporen an den Wänden der Halle dahin. Überall quollen Baumgestalten aus Stollenmündungen hervor und bemühten sich, auf dem raschesten Weg den Boden der mächtigen Höhlung zu erreichen.
    Atlan spähte in die Tiefe. Im Zentrum des Massenauflaufs sah er ein Gebilde, das einem aus grauem Steingefertigten Faß ähnelte und auf vierlangen, stelzenartigen Beinen ruhte. Er hätte keine Ahnung, was er sich darunter vorstellen sollte. Die Blinden Eremiten schienen sich bis vor kurzem ausschließlich mit dem steinernen Faß beschäftigt zu haben. Jetzt jedoch wandte sich ihre Aufmerksamkeit allmählich zwei anderen Gestalten zu, die im Vergleich mit dem grauen, steinernen Gebilde zwergenhaft wirkten.
    „Salik!" stieß der Arkonide hervor.
    „Und ein Meykatender", fügte Chulch hinzu. „Die Tiefengeister mögen wissen, wie sie sich hierher verirrt haben."
    Die Szene wirkte im Augenblick noch harmlos. Aber sie konnte sich jede Sekunde ändern. Salik und sein Begleiter waren dem Eremiten willkommene Opfer. Sie würden ihnen dasselbe Schicksal angedeihen lassen wie jenem Zug von Gefangenen, den Chulch und der Arkonide mehrere Tage lang verfolgt hatten.
    „Sie sind verloren, wenn wir sie nicht herausholen", sagte Atlan.
    „Spring auf", schlug Chulch ihm vor. „Im Augenblick kümmern die meisten sich noch um den Steinklotz.
    Wenn wir rasch genug handeln, haben wir eine Chance."
    Atlan ließ es sich nicht zweimal sagen. Mit geübtem Griff schwang er sich auf Chulchs breiten Rücken.
    Der weißhaarige Huhne sprang aus dem Stand in den Galopp und stürmte, ein martialisches Gebrüll ausstoßend, die Felsleiste hinab. Die wenigen Eremiten, die den Boden der Halle noch nicht erreicht hatten, wichen panikerfüllt aus. Chulch bot in der Tat einen furchterregenden Anblick: Mit wehender Mähne, blitzenden Augen und dem lauten Klatschen seiner galoppierenden Füße glich er einer Chimäre, einem exotischen Kriegsgott, der den Seiten eines Buches mit Sagen der Vorzeit entsprungen war. Er rannte nicht bis zum Ende des Felsenbands. Aus drei Metern Höhe setzte er über eine Gruppe Eremiten hinweg und landete mit solcher Wucht auf dem Boden der Höhle, daß Atlan sich nur mit Mühe auf seinem Rücken halten konnte.
    Wo Chulch auftauchte, breitete sich Panik aus. Das war den Blinden Eremiten noch nicht widerfahren, daß ein Geschöpf der Oberwelt sich in ihrem ureigenen Bereich, dem Zentrum der Kavernen, wie ein: Berserker gebärdete. Sie waren gewöhnt, daß man sie fürchtete, daß man vor ihnen zitterte. Chulchs Anblick erfüllte sie mit Furcht. Sie wichen ihm aus. Sie warfen sich zur Seite, um nicht mit dem rasenden Moloch zu kollidieren. Das Rascheln und Raunen ihrer Äste verwandelte sich in schrilles, ängstliches Zirpen.
    Selbst dem Arkoniden verschlug's den Atem. Es war lange Zeit her, daß er einen Parforceritt dieser Art unternommen hatte. Er sah, wie die Gasse sich vor Chulch öffnete. Er erblickte das seltsame, versteinerte Gebilde, das er vor wenigen Minuten aus der Höhe zum ersten Mal gesehen hatte. Jen Salik hatte sich umgewandt und starrte ihm verständnislos entgegen. Atlan klammerte sich mit der linken Hand in Chulchs dicken Pelz, so fest er konnte. Dann beugte er sich zur Seite und streckte dem Freund den freien Arm entgegen.
    „Herauf zu mir!" schrie er, „Sonst seid ihr verloren..."
    Jen Salik reagierte mit der Zielsicherheit des Menschen, dessen Instinkte durch vieljährige Erfahrung geschärft sind. Er riß dem Arkoniden fast den Arm aus dem Schultergelenk, als er die dargebotene Hand ergriff. In hohem Bogen flog er am Geist der zunächst stehenden Eremiten vorbei und landete mit einem Ruck auf Chulchs Rücken. Atlan hatte keine Zeit, sich nach seinem Gefährten umzusehen. Aber Sekunden später hörte er ein quarrendes Krächzen und das klatschende Schlagen schwerer Flügel. Dann gab es einen zweiten Ruck, und er schloß daraus, daß auch der Meykatender sich in Sicherheit gebracht hatte.
    Während all dieses Geschehens war Chulch um keinen Schritt langsamer geworden. In vollem Galopp nahm er Kurs auf die gegenüberliegende Wand der Höhle, und die Blinden Eremiten rissen vor ihm aus, als gälte es ihr Leben. Niemand wußte, wohin die Stollen führten, deren Mündungen sieh in der Wand der Halle abzeichneten. Chulch wählte eine davon aufs Geratewohl und stürmte hinein.
    Hinter sich hörte Atlan das furchtsame Zirpen der Blinden Eremiten verebben. Sie hatten den ersten Schock der
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