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1178 - Die vierte Weisheit

Titel: 1178 - Die vierte Weisheit
Autoren: Unbekannt
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Zeigefinger der rechten Hand am Abzug. Mit der linken griff er in die Tasche und brachte ein zusammengefaltetes Stück Papier zum Vorschein. Er entfaltete es, indem er es ein paar Mal hin und her schwenkte. Perry erkannte es augenblicklich. Es war der Zeitungsausschnitt, den Gene ihm in jener Nacht unter die Nase gehalten hatte: FÜNFJÄHRIGER VERURSACHT DEN TOD SEINER SCHWESTER.
    „Sehen Sie das?" spottete Logan. „Perry hat seine Schwester umgebracht."
    „Das ist nicht wahr!" knirschte Kenneth Malone. Sein Gesicht war weiß, und er hatte die Hände vor Zorn zu Fäusten geballt.
    „Sie wissen das, und ich weiß es", lachte Logan hämisch. „Aber der Junge wußte es nicht. Es war eine prachtvolle Methode, ihn uns gefügig zu machen..."
    Mehr hörte Perry nicht. Das Blut rauschte ihm in den Ohren. Sie hatten ihn belogen! Er hatte Deborah nicht umgebracht - weder mit noch ohne Absicht. Sie hatten ihn zum Verbrecher gestempelt, ohne das er sich dagegen hatte wehren können. Sie hatten seine Gedächtnislücke ausgenützt, ihn in ihre Dienste zu zwingen.
    Blinde Wut überkam ihn. Er duckte sich. Im Augenblick achtete niemand auf ihn. Logan sprach noch immer und genoß seinen Triumph. Tin Can zuerst, dachte Perry. Er ist der Dümmste. Er schnellte sich vorwärts. Gene schrie auf: „Vorsicht... der Junge!"
    Ein Schuß peitschte. Perry spürte, wie ihn etwas am Ärmel zupfte. Er stürmte unbeirrt weiter. Ein Gewehrlauf kam in Sicht. Er packte ihn und riß ihn zur Seite.
    „Verdammt, macht ihn fertig!" brüllte Logan.
    „O nein!" Eine schrille Stimme, die weithin über die Lichtung hallte. „Ich werd' euch zeigen, wer hier fertiggemacht wird!"
    Ein dünner, blaffender Knall - die Entladung eines Kleinkalibergewehrs. Jemand schrie auf. Die schrille Stimme war von neuem zu hören.
    „Siehst du, mein Jungchen, so geht's. Und jetzt, zum Donnerwetter, wird aufgeräumt."
    Erstaunt hielt Perry inne. Er sah sich um. Belinda war auf den Kampfplatz gestürmt. Sie hielt seine Flinte beim Lauf und schwang sie wie eine Keule. Logan wälzte sich am Boden; Belindas Schuß hatte ihn offenbar am Bein verletzt. „Euch werd' ich helfen!
    Anständige Menschen zu bösen Taten zu verleiten. Der Satan soll euch fressen!" Die Redelust der kampfesfreudigen Negerin hatte unter der Spannung des Augenblicks keine Einbuße erlitten. Die Flinte schwingend, drang sie weiter vor, eine Walküre auf dem Kriegspfad der Gerechtigkeit. Und jede Bewegung des Gewehrkolbens verband sie mit einer neuen Ermahnung.
    „Bereut eure Sünden!" Ein kräftiger Schlag traf Tin Can gegen die Schulter und schleuderte ihn zu Boden.
    „Geht in euch - der Herr wird euch helfen!" Gene war in die Knie gegangen und hatte die Arme zum Schutz erhoben. Es half ihm nichts. Der mit dem Zorn der Gerechten geführte Schlag drang mühelos durch die Deckung und traf den Gauner gegen die Schläfe.
    „Und du bist der Anführer des Ganzen, du solltest dich besonders schämen!" Logan, der sich mit Mühe halbwegs wieder aufgerichtet hatte, bekam einen Tritt in die Seite der ihn wieder zu Boden warf.
    Perry verfolgte die Entwicklung mit ungläubigem Staunen. Nie im Leben hätte er der sanftmütigen Belinda eine solch mutige Tatkraft zugetraut. Wie eine Schlachtengöttin hauste sie auf der kleinen Lichtung, eine Eine-Frau-Heer, das den Gegner erbarmungslos niederwalzte.
    Aber noch war die Gefahr nicht gebannt. Onkel Ken hatte sich zur Seite geschleudert, als das Durcheinander begann, und war inzwischen wieder im Besitz seines Gewehrs.
    Was er nicht wußte, war, daß Belindas ehemaliger Wächter, der bisher bewußtlos vor dem Zelt gelegen hatte, sich wieder zu rühren begann. Benommen den Kopfschüttelnd, kam er langsam auf die Beine. Er befand sich hinter Kenneth Malone, dessen ganze Aufmerksamkeit auf Belindas unwirklichen Kriegszug gerichtet war. „Lobe den Herrn, meine Seele!" schrie die Negerin und wirbelte triumphierend die Arme in die Luft, nachdem sie das Gewehr hatte achtlos fallen lassen. „Das Gute siegt, das Böse ist unterworfen."
    „Onkel Ken - hinter dir!" rief Perry warnend.
    Malone fuhr herum. Der vierte Mann hatte sich soeben auf ihn stürzen wollen. Der Colonel ließ die Flinte fahren und empfing den Angreifer mit einer rechten Geraden, hinter der sein ganzer Zorn steckte. Es gab ein Geräusch, als Faust und Unterkiefer zusammenprallten. So groß war die Wucht des Schlags, daß es den Getroffenen von den Füßen hob und zwei Meter weit gegen das Zelt schleuderte,
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