Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1178 - Die vierte Weisheit

Titel: 1178 - Die vierte Weisheit
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
wissen.
    „Oh, ich bin nur einer von denen, die hier aufpassen", antwortete der Mann. „Nun geh schon, damit du über die Gleise kommst, bevor der nächste Zug andampft."
    Er lachte dazu, als hätte er einen guten Witz gemacht. Perry konnte nicht wissen, daß der Bahnhof Daytona Beach pro Tag nicht mehr als vier Züge zu sehen bekam. Er nahm seinen Koffer und marschierte los.
    Das Haus hatte der Fremde offenbar nur als Orientierungspunkt verwendet. Perry fand die Türen verschlossen, die Fenster dunkel. Aber eine Aufschrift besagte, daß hier die Florida East Coast Railroad Fahrkarten verkaufte sowie Reisegepäck und Fracht entgegennahm bzw. auslieferte. Jeweils eine Stunde vor Ankunft bis eine Stunde nach Abfahrt des Zuges - mit Ausnahme des 23:30-Zuges nach Miami, nach dessen Abfahrt die Schalter so fort geschlossen wurden.
    An der Baracke führte eine frisch asphaltierte Straße vorbei. Eine einzige Lampe, von Insekten umschwärmt, zeichnete einen weiten Lichtkreis in die Dunkelheit. In der Ferne waren ein paar Lichter zu sehen, das mußte die Stadt sein. Jenseits der Straße war flaches Grasland. Der Lichtschein enthüllte eine einzige Palme, die ihre Fächerwedel in die Feuchtigkeit der Nachtluft reckte.
    Perry war enttäuscht. Als er von Florida träumte, hatten ihm greller Sonnenschein, helle Sandstrände und das türkisfarbene Wasser des Atlantiks vorgeschwebt. Hier, vor der verschlossenen Baracke, am Rand der frischgeteerten Straße kam er sich vor wie am Ende der Welt. Ein Insekt, auf dem Weg zur Lampe, surfte an ihm vorbei. Perry duckte sich unwillkürlich. Er blickte auf und sah etwas, das mindestens so groß war wie sein Handrücken, um die Glaskugel der Laterne schwirren. Er schüttelte sich. Insekten, die größer waren als sein Daumennagel, verursachten ihm ein Kribbeln auf der Haut.
    Ein anschwellendes Geräusch ließ ihn aufhorchen. Lichtschein huschte durch die Finsternis. Weit hinten an der Straße tauchten zwei Scheinwerfer auf. Perrys Herz ging schneller. Die Gegend war so einsam - wenn um diese Zeit hier einer vorbeikam, dann konnte es nur Onkel Ken sein. Eigentlich war er sein Onkel gar nicht; er war ein Vetter seiner Mutter, Mary Tibo Rhodan. Aber Perry nannte ihn „Onkel", und Kenneth Malone hatte niemals etwas dagegen eingewendet.
    Mit Kennerblick identifizierte der Junge einen 45er Chevrolet, der sich mit unregelmäßig laufendem Motor in den Lichtkreis der Lampe schob. Bremsen quietschten. Perry war enttäuscht. Kenneth Malone, der Aufsteiger der Familie, und nur ein lausiger, alter Wagen? Der Lack war matt geworden, die linke Tür hatte eine tiefe Delle, an der Kühlerhaube fraß der Rost. Die Tür mit der Delle ließ sich in der Tat nur schwer öffnen und gab ein protestierendes Ächzen von sich. Aber der Mann, der aus dem Auto stieg, war unverkennbar Kenneth Malone: 1,92 Meter groß, schlank, breitschultrig, mit hellen, freundlichen Augen in dem gebräunten Gesicht.
    Perry ließ den Koffer stehen und lief auf den hochgewachsenen Mann zu. Der fing ihn mit den Armen auf und schwang ihn ein paar Mal durch die Luft.
    „Das darf man doch noch?" fragte er lachend.
    „Das darfst du ruhig", lachte auch Perry. „Obwohl ich schon zwölf bin."
    Kenneth Malone setzte den Jungen ab. Sein Gesicht war ernst.
    „Erst zwölf", sagte er betreten. „Und ich..."
    „In gut einem Monat", kommentierte Perry.
    „Und ich hab' dich hier mitten in der Nacht herumstehen lassen!" fuhr Malone fort. Er trug Zivil; auch das enttäuschte Perry ein wenig. Er hatte erwartet, einen Mann mit dem silbernen Colonel-Adler auf den Schulterstücken zu sehen. „Junge, es war nicht meine Schuld." Er warf dem Auto, dessen Motor im Leerlauf vor sich hintuckerte, einen ärgerlichen Blick zu. „Das Ding da wollte nicht mehr. Mitten im Niemandsland zwischen New Smyrna und Scottsmoor." Er erinnerte sich seines Amtes als Tröster und Beschützer. „Bist du schon lange hier? Hast du Angst gehabt?"
    Perry winkte ab.
    „Angst? Nie" erklärte er stolz. „Und wie lange bin ich schon hier? Knapp eine halbe Stunde. Kaum der Rede wert."
    „Ich hoffe, Mary wird's mir verzeihen", stöhnte Kenneth Malone. „Aber komm jetzt, wir wollen dein Zeug aufladen."
    Eine Minute später setzte sich das ratternde Gefährt von neuem in Bewegung.
     
    *
     
    Von Florida war nicht viel zu sehen. Das Licht der Scheinwerfer stach durch die Nacht und riß hier einen Baum, dort ein einsames Gebäude aus der Dunkelheit. Perry wäre längst
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher