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1173 - Computerwelten

Titel: 1173 - Computerwelten
Autoren: Unbekannt
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hinabzusteigen und ihm ihren Triumph ins Gesicht zu schleudern.
    Sie folgte Qual Kreuzauge auf dem Weg nach unten. Der freie Fall war unangenehm, aber leicht kontrollierbar. Immer wieder, jeweils in Höhe einer Zeitsohle, tauchten Bilder an den schwarzen Wänden auf. Teils verschwommen, teils gestochen scharf, vermittelten sie optische Eindrücke aus früheren Epochen und von verschiedenen Orten. Mehrfach hielt Vishna Ausschau nach dem Grund des Schachtes, doch jedes Mal verlor sich der Blick in undurchdringlicher Finsternis. Es gab kein Ende.
    Dennoch erreichte sie es - irgendwo und irgendwann.
    Eben noch war sie an dem Bild einer gewaltigen Explosion vorbeigeschwebt, an einer unendlichen Fülle von Licht und Energie. Im nächsten Moment spürte sie Widerstand unter sich, kam sanft auf und stand sicher auf festem Untergrund.
    Qual Kreuzauge trat einige Schritte zur Seite. Sie beachtete ihn nicht mehr. Jetzt galt ihr Interesse nur noch dem Gefangenen.
    „Chthon...", sagte sie leise, und es gelang ihr, ihrer Stimme eine Spur kalten Mitgefühls zu verleihen. „Armer Chthon...!"
    Er lehnte an der Wand, durch die es auch für ihn kein Entkommen gab. Vishna sah weiße Pupillen in pechschwarzen Augäpfeln und die unbestimmbaren Züge eines halbstofflichen Gesichts. Das Nebelwams war kaum noch zu erkennen; es wirkte wie ein in Fetzen gerissener Kleidungsrest von rauchiger Trübe, der mehr und mehr der Auflösung anheimfiel.
    „Du bist nicht hier, um mir das zu sagen." Die Wörter entstanden direkt in Vishnas Bewußtsein. Zu einer anderen Art der Kommunikation war der Schatten nicht fähig. „Es paßt nicht zu dir. Was willst du also?"
    Vishna lachte auf.
    „Ich wollte sehen, ob es dich noch gibt."
    Chthon änderte seine Haltung nicht. Jemand wie er zeigte keine Emotionen - nicht jetzt.
    „Erst wenn ich verschwunden bin, kannst du völlig sicher sein, nicht wahr, Es gibt mich noch! Du hast dich davon überzeugt und solltest wieder gehen."
    Er steckte in einer aussichtslosen Lage, ohne Perspektive für die Zukunft und von seiner ärgsten Feindin verspottet. Sein Stolz war ungebrochen. Er versagte Vishna ihren letzten Triumph.
    „Du bist verurteilt zum Untergang!" schrie sie ihm aufgebracht entgegen. „Sobald das Nebelwams sich aufgelöst hat, wirst auch du aus dieser Welt gehen - gerade so, als hättest du nie existiert!"
    „Der andere wird dich beizeiten daran erinnern. In einer stillen Stunde magst du dann bedauern, daß du alles zerschlagen hast. Der Kosmos hätte ein mächtiges Paar gebären können. Statt dessen wirst du ganz allein sein."
    Die Anspielung verfing nicht. Vishna war beseelt von dem Wunsch, ihren Gegenspieler zu demütigen. In ihr gab es keinen Platz für eine Vergangenheit, die ihr nur undeutlich bewußt war.
    „Der andere!" höhnte sie. „Er wird den Weg zu dir nicht finden."
    „Er kommt", behauptete Chthon fest. „Du hast die Elmsflamme vernichtet, aber das wird ihn nicht zurückhalten. Und ich, Vishna, ich habe noch Zeit. Mein Ende vollzieht sich langsamer, als du es gerne möchtest. Ich halte aus, bis er da ist."
    Vishna machte eine Geste des Unwillens.
    „Selbst wenn er durchbricht, muß er dich erst finden. Und bis dahin ist es zu spät. Ohne dich ist er ein Nichts - ein bloßer Jemand, dem das Wichtigste fehlt. Du weißt es, Chthon."
    „Ich weiß es. Aber es schreckt mich nicht."
    Innerlich bebte Vishna. Die Gelassenheit, mit der er ihr begegnete, reizte sie. Dabei gab es keinen Zweifel, daß die Tage des Schattens gezählt waren. Der andere würde keine Gelegenheit mehr finden, sich zu erinnern. Und allein war er zu schwach, sie noch zu besiegen.
    Die Würfel waren längst gefallen.
    Auch Chthon würde seine Ruhe ablegen müssen. Irgendwann, wenn auch vielleicht nicht schon morgen, würde er ein Bild der Erniedrigung bieten. Dann wollte sie wiederkommen!
    Dieser Gedanke verhalf ihr dazu, das Gefühl der Überlegenheit zurückzugewinnen. Sie entspannte sich und bedachte den Schatten mit einem langen, abgrundtiefen Blick.
    Chthon rührte sich nicht.
    „Bring mich nach oben", wandte sie sich an den Ordensmann, der den Dialog schweigend verfolgt hatte. Als sie an Qual Kreuzauges Seite den Schacht emporschwebte, hob sie die Stimme und rief: „Dies war nicht mein letzter Besuch, Chthon.
    Bevor du deine Existenz verlierst, werde ich vor dich treten, um dich wimmern zu sehen."
    Chthon hörte sie nicht mehr. Er befand sich auf der Nullsohle - und niemand konnte in die Vergangenheit
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