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1116 - Der Hexenkelch

1116 - Der Hexenkelch

Titel: 1116 - Der Hexenkelch
Autoren: Jason Dark
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mußte wieder angestellt werden, und so machten wir uns auf die Wanderschaft zu den Felsen und Höhlen.
    Beschwerlich war der Weg nicht. Aber die grauen Wände lagen doch weiter entfernt, als ich gedacht hatte. Und ich wurde den Eindruck nicht los, daß man uns trotz allem beobachtete. Als ich mit Alan darüber sprach, lachte er.
    »Da haben Sie recht, John. Die Menschen hier sehen und registrieren alles. Sie greifen nur nicht ein. Das ist eben der Unterschied. Aber sie sagen auch nichts.«
    »Verständlich.«
    Das Gras wuchs hier nicht sehr hoch. Es war struppig, aber auch kräftig. Der ständige Wind schien es zu einem dünnen Teppich gedrückt zu haben. Flechten und Moos hatten sich ebenso ausgebreitet wie Heidekraut, das nicht blühte. Dafür sahen wir dunkelgelben Löwenzahn und auch die weißen Blütenblätter der Gänseblümchen.
    Und immer wieder Wind. Warm streichelte er unsere Gesichter. Der Himmel war von einer beeindruckenden Weite. Nicht einmal weiße Wolken hatten sich dort verloren. Es gab eben nur dieses herrliche Blau.
    Alan Friedman führte uns. Er ging gebückt und war schon ein Fachmann, der die Unebenheiten des Bodens geschickt ausglich. Der Weg blieb auch nicht so flach. Er nahm an Steigung zu, und das Gras wurde allmählich dünner.
    Die Felsen ragten grau vor uns hoch. Die Witterung hatte sie blankgeputzt, aber wir entdeckten auch Spalten im Gestein, die Adern glichen, denn dort hatten sich Moos und Gräser festgesetzt.
    Wege gab es nicht. Auch keine Trampelpfade. Bevor wir richtig klettern mußten, drehte sich Alan um. Er stand schräg über uns, die Hände in die Hüften gestützt. Auf der Oberlippe schimmerte eine Schweißschicht, und er atmete heftig durch den Mund.
    »Wir müssen gleich um eine Kante herum, danach können wir die Höhle betreten.«
    »Wir brauchen nicht zu hoch?«
    »Nein.«
    »Okay, dann los.«
    »Moment noch!« Sukos Stimme hielt uns auf. Während meiner Unterhaltung mit Alan hatte er sich die Umgebung angeschaut. Und er hatte etwas entdeckt.
    Mit dem ausgestreckten linken Arm wies er an uns vorbei. Das Ziel war die Spitze des höchsten Felsens, der die Form einer kantigen Säule aufwies.
    Er brauchte nichts zu sagen. Wir sahen es selbst.
    Auf der höchsten Stelle stand eine Frau!
    ***
    Im ersten Moment hielten wir alle den Atem an. Mit dieser Überraschung hatten wir nicht gerechnet, doch jeder von uns ahnte, wer sich dort oben zeigte.
    Eine Frau aus dem Ort war es sicherlich nicht. Ich kannte sie aus Alan Friedmans Erzählungen, und der Name rutschte mir wie von selbst über die Lippen.
    »Alana…«
    Friedman nickte. »Genau das ist sie, John. Verdammt, sie hat sogar auf uns gewartet. Das hätte ich nicht gedacht. Oder doch? Jedenfalls muß sie gewußt haben, daß wir kommen.« Er schaute Suko und mich an. »Wenn Sie bisher noch Zweifel gehabt haben, dann müßten die jetzt ja verschwunden sein.«
    »Das kann man so sagen«, bestätigte ich.
    Keiner von uns ließ die Person aus den Augen. Sie sah tatsächlich aus, wie Friedman sie beschrieben hatte. Ihr rotes Haar wehte im Wind. Sie trug das enge Kleid, das eigentlich keines war und auf ihren Körper gemalt zu sein schien, auch wenn sich dabei die dünnen Träger über die Schultern spannten.
    Alana stand dort wie eine Felsengöttin. Die Herrscherin von Stormy Island, die alles unter Kontrolle hielt. Die Natur ebenso wie die Menschen.
    Nur den gläsernen Kelch vermißte ich. Sie tat auch nichts. Sie schickte uns kein Lachen entgegen, sie sprach uns nicht an und sie hob auch keinen Arm als Zeichen der Begrüßung.
    Sie nahm uns einfach nur auf.
    Suko sah die Sache locker und meinte: »Klettern kann sie wie eine Gemse.«
    »Nein.« Friedman sprang sofort auf die Bemerkung an. »Das braucht sie gar nicht. Sie ist anders, ganz anders. Sie ist den Menschen überlegen. Für sie gelten die Naturgesetze nicht. Ich glaube sogar, daß sie schweben kann wie ein Engel.«
    »Möglich«, sagt ich nur.
    »Sie verschwindet!« meldete Suko.
    Keiner von uns wußte, wie sie den Felsen dort oben erklommen hatte, aber wir sahen jetzt, wie sie verschwand und sich dabei langsam nach hinten bewegte.
    Sie ging einfach zurück. Keiner von uns wußte, wie weit Alana vom Rand der Klippe entfernt war, doch dann war sie weg. Es sah so aus, als hätte sie ihren Fuß ins Leere gesetzt. Plötzlich war von ihr nichts mehr zu sehen.
    Alan Friedman schüttelte den Kopf. »Sie hat uns bewiesen, wie mächtig sie ist. Ich sage euch allen Ernstes, das war
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