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1116 - Der Hexenkelch

1116 - Der Hexenkelch

Titel: 1116 - Der Hexenkelch
Autoren: Jason Dark
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zittern, und dieses Zittern übertrug sich auch auf den Lichtkegel, der das Ziel somit nicht richtig erfassen konnte.
    Uns reichte es.
    Wir sahen den Ort, an dem Justin Corner das Blut abgenommen worden war. Ihn selbst allerdings entdeckt wir nicht. Die beiden Ringe im Fels und die verdammten Ketten, die wie zwei tote Schlangen nach unten hingen und sich nicht bewegten.
    »Hat man ihn befreit?« flüsterte Alan.
    Ich trat einen Schritt vor. Noch einen zweiten und dritten. Dabei senkte ich meine Leuchte, so daß der Lichtstrahl in einem schrägen Winkel zu Boden fiel und dort hängenblieb, wo sich Wand und Untergrund trafen.
    Dort lag der Mann gekrümmt in einer völlig unnatürlichen Lage. Von seinem Gesicht sah ich nichts.
    Doch das sehr weiße Haar fiel mir schon auf.
    Ich spürte Alan Friedmans Hand auf meiner Schulter wie harte Zinken. Er atmete und schluchzte.
    »Sie hat ihn befreit, John. Sie hat ihn befreit, weil sie ihn nicht mehr brauchte.«
    Ich hoffte, daß Corner nicht tot war, und war sehr schnell bei ihm. Ich hockte mich neben ihn, während Alan mit seiner Stablampe leuchtete. Ich faßte den Mann an und drehte ihn auf den Rücken.
    Er fiel wie eine Puppe.
    Mit meiner Lampe leuchtete ich das Gesicht an und erschrak. Justin Corner war zu einem Greis geworden.
    Zu einem toten Greis!
    Ich schaute zu Suko und Alan hoch und sah das Zucken in Friedmans Gesicht. Seine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, er atmete heftig und drehte sich dann weg. Er weinte in seinen vor das Gesicht gelegten Arm hinein.
    Suko und ich blieben allein. Zuerst konzentrierten wir uns auf das Gesicht. Keiner von uns wußte genau, wie alt Corner war, aber bestimmt kein Greis. Seine Haut war so bleich geworden, aber nicht faltig. Dafür dünner, und aus diesem Grunde sah er aus wie ein alter Mensch, der nach langem Leiden erst vor wenigen Minuten gestorben war.
    Ich fühlte trotzdem nach, ob nicht doch noch Leben in ihm steckte. Da bestand keine Chance mehr.
    Danach kümmerten wir uns um seinen Oberkörper. Ich hatte beim Betrachten des Films die Wunde in seiner Brust gesehen und auch mitbekommen, wie sie durch den Messerschnitt vergrößert worden war. Das war allerdings nichts im Vergleich zu dem Anblick, der sich uns nun bot. Er war einfach schlimm. Die gesamte Brust bestand aus einer einzigen Wunde. Die Schnitte waren in jede Richtung geführt worden, und so hatte Alana, die finstere Banshee, wie sie auch genannt wurde, all den Lebenssaft auffangen können. Um ihn zu trinken?
    Ich glaubte daran, denn auf dem Film war es mir bewiesen worden. Der Mund des Toten stand noch offen. Die Augen sahen aus wie Glas, die das Licht der Lampe reflektierten.
    Der eigentlich kräftige Körper war eingefallen. Ihm fehlte die innere Spannkraft. Unter der Haut zeichneten sich die Knochen ab, und das weiße Haar auf dem Kopf wirkte wie eine Perücke.
    »Sie hat ihr Ziel erreicht«, sagte Suko. »Wieder einmal. Blut in den Hexenkelch laufen zu lassen, ihn zu leeren, das ist es doch, was sie gewollt hat.«
    Ich gab ihm recht. Dann beschäftigte ich mich mit der Frage, ob wir ihn vorerst hier in der Höhle liegenlassen sollten oder nicht. Dabei mußte uns Alan Friedman helfen, der sich mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt hatte und ins Leere starrte. Die Lampe hielt er noch immer fest, nur wies der Kegel jetzt zu Boden, wo er einen bleichen Vollmond hinterlassen hatte.
    »Keine Chance mehr, John, nicht?«
    Ich nickte.
    Alan schaute an mir vorbei. Er sprach, und es klang tonlos. »Ich dachte es mir«, flüsterte er. »Ja, ich habe es mir gedacht. Es ist verdammt schlimm gewesen. Er hat die Gefahr unterschätzt. Ich hätte ihn auch nicht allein gehen lassen sollen. Aber so war er immer. Ein Draufgänger, einer, der die Regeln einfach nicht einhalten wollte. Jedes Problem packte er sofort an. Was dabei herausgekommen ist, sehen wir ja jetzt.«
    »So schlimm es auch für Sie sein mag, Alan, aber wir müssen weiterdenken. Seine Mörderin läuft frei herum und…«
    »Hat sie ihm das Blut genommen?« unterbrach mich Alan.
    »Höchstwahrscheinlich.«
    »Ist er ausgeblutet?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie ist jedenfalls kein Vampir im eigentlichen Sinne«, sagte Suko. »Sie hat ihn nicht in den Hals gebissen, um ihn von dort aus leerzusaugen.«
    »Dann ist sie eine Hexe und zugleich ein Vampir«, sagte Alan. »Und sie darf nicht länger am Leben bleiben, verflucht noch mal. Wir müssen sie stellen.«
    »Das werden wir tun. Aber ich möchte Ihren Freund
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