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109 - Die Atemdiebin

109 - Die Atemdiebin

Titel: 109 - Die Atemdiebin
Autoren: Bernd Frenz
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umkehren, bevor wir auch zu Fleggenfutter werden?«, sprach Paoul aus, was in diesen Momenten alle dachten.
    Janpieer blickte über die Schulter zurück. Die Falten seines von Wind und Wetter gegerbten Gesichts schnitten tief ein, als er zu einem Grinsen ansetzte. »Fallen sind keine schlechte Nachricht«, klärte er die Truppe auf. »Fallen bedeuten, dass hier etwas Wertvolles beschützt wird.«
    Ohne die Zustimmung seiner Kameraden abzuwarten, drehte er den Jagdspieß in Händen und begann damit, das stumpfe Ende vor sich auf den Boden zu stoßen. Fliese um Fliese klopfte er auf diese Weise nach einem verborgenen Mechanismus ab, bevor er es wagte, den ersten Taratzenkadaver zu passieren. Bei jedem Schritt knirschten Glasscherben unter seinen Ledersohlen.
    Dann begann die linke Wand unter einem dumpfen Brummen zu erzittern.
    Janpieer erstarrte mitten in der Bewegung. Zu spät! An der Decke flammten bereits zwei weiße Röhren auf, die ihn von Kopf bis Fuß mit violettem Licht überfluteten. In dem unwirklichen Schimmer war nicht zu übersehen, das er in Erwartung einer tödlichen Falle erzitterte, doch er ging weder in Flammen auf, noch wurde er von Pfeilen durchbohrt. Nein, die Leuchtkörper verloschen einfach wieder und das Brummen erstarb.
    »Glück gehabt.« Janpieers Lächeln wirkte gequält, doch er überwand seine Ängste, indem er, weiter auf den Boden klopfend, die zweite Taratze passierte.
    Die anderen warteten vier Speerlängen ab, bevor sie den Mut aufbrachten, ihm zu folgen. Paoul ging als erster. Die seltsamen Lichtröhren leuchteten an der gleichen Stelle wie zuvor auf, und da er vorgewarnt war, zuckte er nicht einmal mit der Wimper. Die anderen kamen hinterdrein, ebenfalls ohne Schaden zu nehmen.
    Sobald das Brummen in der Wand erstarb, gab es nur noch den Rhythmus der Speere, deren Enden weiter auf den Boden klopften. Bis sie an ein großes Stahlschott gelangten, das den Gang versperrte. Sie hielten nach einem Riegel Ausschau, doch dergleichen war nirgends zu sehen. Ohne die dünne Fuge, an der zwei dunkelrot gestrichene Platten aneinander stießen, hätte man das Schott glatt für eine massive Wand halten können.
    Paoul wollte die Trennwände mit der Spitze seines Jagdspießes auseinander hebeln, doch Janpieer hielt ihn zurück.
    »Warte!«, bat der Grauhaarige. »Vielleicht gibt es einen Mechanismus, der die Tür von alleine öffnet.« Ohne seine Vermutung weiter zu erklären, fuhr er mit den Händen am Türrahmen entlang.
    Dünne Rauchfahnen stiegen von den Fackeln auf, während die anderen skeptisch zusahen. Nun, da sie in einer Sackgasse standen, legte sich der Ruß rasch auf ihre Lungen.
    Die hustenden Männer wurden ungeduldig.
    Paoul machte erneut Anstalten, den Speer als Brechstange einzusetzen, als etwas unter Janpieers Händen zu leuchten begann. Statt zurückzuschrecken, patschte er mit allen zehn Fingern auf der rechteckigen Fläche herum, bis die Stahlschotts knirschend auseinander glitten.
    Triumphierend sah Janpieer von einem zum anderen. Ein wissendes Lächeln umspielte seine Lippen. Offensichtlich hatte er bereits ähnliche Tore gesehen oder sogar bedient. Der erwartete Beifall blieb aber aus. Die Jäger starrten einfach an ihm vorbei in den Raum hinein, der innerhalb weniger Atemzüge von aufgleißendem Licht erfüllt wurde. So hell, dass sie die Augenlider zusammenkneifen mussten, um nicht geblendet zu werden.
    »Die Schatzkammer«, entfuhr es Paoul, der sich am Ziel seiner Wünsche sah.
    Jeder wollte den geheimnisvollen Raum zuerst betreten. In ihrer Eile behinderten sie zuerst sich gegenseitig, schafften es dann aber doch, eine Reihenfolge zu bestimmen. Aufgeregt stoben sie auseinander, begierig auf die wertvollen Funde, die überall zu sehen waren. Schmuck und Edelsteine gab es zwar nicht, dafür andere Dinge von großem Wert. Etwa Gläser und Schüsseln in vielen Variationen. Sogar ganz schmale, nicht dicker als ein Zeigefinger. Fein säuberlich reihten sie sich aneinander, auf weißen Tischen, Anrichten und in Schränken.
    Dazu fanden sie scharfe Messer, Zangen, Trichter, Röhren und vieles mehr, was ihr Stamm gut gebrauchen oder auf dem Markt verkaufen konnte. Die Jäger stießen auch auf Geräte mit völlig rätselhafter Funktion, für die sich bestimmt die Bewohner der Kuppelstadt interessierten.
    Freudenrufe erschollen. Hier gab es so viel Beute, dass es Tage dauern würde, sie in die Hütten zu schaffen.
    Während die anderen sofort damit begannen, einen Teil des
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