Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
109 - Die Atemdiebin

109 - Die Atemdiebin

Titel: 109 - Die Atemdiebin
Autoren: Bernd Frenz
Vom Netzwerk:
zu übersehen, warum Lyon einmal die »Stadt der Hänge« genannt worden war. Von der Basilika aus Forviere ging es immer noch hinab zu den Hügeln des Stadtviertels Croix Rousse.
    Begrenzt durch die beiden mächtigen Flüsse, die die Stadt in mehrere Abschnitte zerteilten, hatte es stets zu wenig Platz für ein modernes Straßennetz gegeben. Deshalb waren seinerzeit Dutzende quer zur Saone verlaufende Gassen entstanden, die durch spitzbogige Gänge, Innenhöfe und Galerien im Renaissancestil führten. Von der Halbinsel zwischen Rhone und Saone führten robuste Steinbrücken zur ehemaligen Altstadt und den einst romantischen Parks, die nun wild wuchernden Urwäldern glichen.
    Im Norden überflog der EWAT das ausgedehnte Univiertel östlich der Rhone, später die Überreste des Verwaltungszentrums am TGV-Bahnhof Le Part-Dieu auf dem Areal einer stillgelegten Kaserne. Ihr Ziel, das Observatorium St. Genis Laval, lag südwestlich der Stadt. Auf diesem Gelände hatte die Regierung während des Kalten Krieges atombombensichere Bunker errichten lassen, die Ende 2011, angesichts des bevorstehenden Kometeneinschlags, auf eine langfristige Besiedlung umgerüstet worden waren. Dort unten, tief in der Erde, hatten die Auserwählten, die einen Platz ergattern konnten, die Zeit der Kälte und des Chaos überlebt.
    Inzwischen besaßen sie auch wieder eine Oberflächenresidenz.
    Matt reckte erstaunt den Kopf, als die Außenkameras eine gläserne Konstruktion zeigten, die das Observatorium als Mittelpunkt nutzte. Rund um die Sternwarte und ihren angrenzenden Gebäuden zweigten Verstrebung ab, die sich dem Boden halbrund entgegen wölbten. Querverstrebungen gaben dem Gerüst den notwendigen Halt, um die darauf geschichteten Kunststoffplatten für ein transparentes, von natürlichem Sonnenlicht durchflutetes Dach zu tragen.
    Doppelschleusen am Boden wiesen auf einen keimfreien Bereich unter der Kuppel hin. Die wenigen Menschen, die dort gerade hin und her eilten, trugen trotzdem Schutzanzüge.
    Anscheinend begegneten die Franzosen dem angekündigten Besuch mit gesundem Misstrauen. Das zeigte sich auch, als Lieutenant Shaw über die Sternwarte hinweg flog und zu einer Kehre ansetzte. Plötzlich verschwand die Außenaufnahme von ihrem Bildschirm und wurde durch einen Ausschnitt aus dem Panorama-Display der Kanzel ersetzt. Der Infrarot-Taster blendete gerade das Profil eines Waldhain ein, der zwei Fahrzeuge beherbergte. Klobige Umrisse und vorstehende Geschützrohre machten deutlich, dass es sich um zwei Panzer handelte. Zu Matts Überraschung ragten aus den Turmluken Köpfe hervor. Sie besaßen scheinbar kein luftdicht geschlossenen System.
    Einige Besatzungsmitglieder standen sogar neben den Fahrzeugen.
    »Ich denke nicht, dass eine unmittelbare Gefahr von ihnen ausgeht«, meldete Selina McDuncan über die Bordsprechanlage. »Sie haben kein direktes Schussfeld und sind nicht abmarschbereit. Vermutlich stehen sie nur in Reserve, für den Fall, das wir uns feindlich zeigen. Unsere Community würde ebenso handeln, wenn unbekannter Besuch kommt.«
    Matt teilte ihre Einschätzung, deshalb wandte er auch nichts ein, als Selina die Landung befahl.
    Peter Shaw umflog den Kuppelbau bis zu einer großen Schleuse, die Richtung Lyon wies. Hundert Meter von ihr entfernt standen einige Holzhütten und Unterstände, in deren Schutz sich mehrere Barbaren flüchteten, die vermutlich hier waren, um Handel zu treiben. Shaw flog ein Stück weiter, um ihnen keine unnötige Angst einzujagen, und ging dann mit ausgefahrenen Kettenschuhen nieder.
    Sobald die Explorer fest auf dem Boden stand und die Aggregate erstarben, lösten Matt und Aruula ihre Gurte. Am Frachtraumschott trafen sie mit Selina und Andrew Farmer zusammen. Lieutenant Shaw blieb im Cockpit, bereit, notfalls den Waffenturm auszufahren oder einen Alarmstart auszuführen.
    Matt befestigte den rückwärtigen Clip eines Translators an seinem Gürtel und drückte den dazu gehörigen Knopfhörer in sein linkes Ohr. Danach legte er den Driller ab und folgte den voraus eilenden Technos durch die offene Schleuse. Sie waren alle unbewaffnet. Selbst Aruula verzichtete auf den Bihänder in der Rückenkralle.
    Nahe des Ausstiegs nahmen sie im Halbkreis Aufstellung.
    Unter der Glaskuppel blieb alles ruhig. Matt bemerkte jedoch drei Gestalten, die von den Hütten herüber kamen. Obwohl sie Fellwesten und Lederhosen trugen, handelte es sich um Technos. Das erkannte er an ihren transparenten Helmen, die vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher