Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
109 - Die Atemdiebin

109 - Die Atemdiebin

Titel: 109 - Die Atemdiebin
Autoren: Bernd Frenz
Vom Netzwerk:
winkte er die Kameraden näher.
    »Wohin dieser Einstieg wohl führen mag?«
    »Vielleicht in die Unterwelt?«, vermutete Levree, der Jüngste ihrer Truppe, und erntete dafür lautes Gelächter.
    »Dummes Zeug«, schnaubte Paoul, dessen Augen von innen heraus zu glänzen begannen. »Sicher liegt dort unten ein verschütteter Keller oder sonst ein alter Raum.«
    »Oder ein Grab aus vergangenen Zeiten«, fuhr Janpieer fort.
    Sein Gedanke fand furchtsame Zustimmung bei den anderen. Sie alle wussten, dass die Toten früher in der Erde verscharrt worden waren, und nicht, wie bei ihrem Stamm üblich, auf hölzernen Gestängen aufgebahrt, damit Krahac sie holen konnte.
    »Und wenn schon«, wischte Paoul den Einwand beiseite.
    »So oder so mag es da unten nützliche Dinge geben. Für uns oder die Technos.«
    Zufrieden registrierte er, wie sich alle Blicke auf ihn richteten. Natürlich, warum hatten sie nicht eher daran gedacht? Die kahlköpfigen Frauen und Männer, die auf der anderen Seite von Liion lebten, waren stets an Relikten aus der Vergangenheit interessiert. Und sie hatten sich schon oft großzügig gezeigt, wenn ihnen interessante Fundstücke zum Tausch angeboten wurden.
    »Du glaubst also, dort unten könnte es Beute geben, die mehr wert ist als eine erlegte Wisaau?«, fragte Levree in die Stille hinein.
    »Und ob.« Paoul grinste. »Du hast es erfasst, Kleiner.«
    Zwei Atemzüge später fällten sie ihre Entscheidung. Wenn sie hier schon wegen des Unwetters festsaßen, konnten sie auch das Beste aus ihrer Situation machen.
    Die stählerne Luke gab einen knarrenden Laut von sich, als sie in die Höhe geklappt wurde. Nacheinander stiegen die Männer in den engen Schacht und die Sprossen einer rostfreien Leiter hinab.
    Dem Untergang entgegen.
    ***
    Anfangs glänzte der geflieste Boden noch vor Feuchtigkeit.
    Etliche Schritte weiter wurde er trocken und anschließend sogar ein wenig staubig. Die Höhle über dem Einstieg schützte gut vor Witterungseinflüssen. Regen oder Schnee konnte nicht bis hier unten vordringen. Tiere dagegen schon.
    Die Jäger fanden Exkremente von Gerulen und Ratzen.
    Allzu viele hatten sich aber nicht hierher verirrt, sonst wären wesentlich mehr und vor allem frischere Kotspuren zu sehen gewesen. Als die Männer für einige Zeit inne hielten, hörten sie keinen Laut außer ihren eigenen Atemzügen. Tiere schienen den unterirdischen Gang tatsächlich zu meiden. Fast so, als witterten sie etwas Abschreckendes.
    Wie auf ein lautloses Kommando fasste jeder seinen Speer fester oder zog das Schwert aus der Scheide. Alle Sinne angespannt, schlichen sie weiter.
    Bald stießen sie auf zwei schwarz verfärbte Taratzenleiber, die in einem wahren Scherbenmeer lagen. Den Splittern nach zu urteilen, die noch links und rechts aus der Wand ragten, hatten hier einmal große Scheiben den Weg versperrt. Die borstigen Tiere mussten dagegen gelaufen und verblutet sein.
    Oder Schlimmeres. Ihre Vorder- und Hinterläufe waren jedenfalls seltsam verkrümmt, wie nach einem schmerzhaften Todeskampf.
    Zunächst wagte sich niemand auch nur einen Schritt weiter.
    Janpieer war der Erste, der die allgemeine Erstarrung abschüttelte. Vorsichtig trat er vor und senkte die Fackel. Ihr Schein legte einige große, kraterförmige Wunden in den Taratzen frei. Ihr Fleisch wirkte an diesen Stellen regelrecht verkohlt. Ob es sich bei um Verbrennungen handelte, ließ sich angesichts der verwesten Leiber aber nicht mehr feststellen. An mehreren Stelle schimmerte bereits bleicher Knochen durch das vermoderte Fell.
    »Liegen hier bestimmt schon seit letztem Sommer herum«, vermutete Janpieer brummend, »oder sogar noch länger.«
    Seinen Worten folgte eine unangenehme Stille, die erst durchbrochen wurde, als Paoul seine Kehle frei räusperte.
    »Was mag die beiden getötet haben?«, fragte er. »Kein Raubtier hinterlässt solche trichterförmigen Wunden, außerdem wurden sie nicht angefressen.«
    Janpieer zuckte mit den Schultern, unschlüssig, ob er sich noch weiter vorwagen sollte. »Schwer zu sagen. Falls das hier tatsächlich ein Grabmal ist, gibt es vielleicht geheime Fallen, die Neugierige am Eindringen hindern sollen.«
    Mehrere Männer zogen deutlich hörbar Luft in ihre Lungen.
    Unbehagen breitete sich aus. Mit verkniffenen Mienen sah einer zum anderen, dann starrte die Gruppe gemeinsam in die Dunkelheit. Direkt vor ihnen, irgendwo außerhalb des Fackelscheins, mochte das Unheil auf sie lauern.
    »Sollten wir nicht lieber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher