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1080 - Hexenwald

1080 - Hexenwald

Titel: 1080 - Hexenwald
Autoren: Jason Dark
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lebten und unter der Kontrolle des Dämons Mandragoro standen.
    »Soll ich dich hineintreten, Harry?«
    »Nein, schon gut.«
    »Du wirst weich fallen, keine Sorge. Man wird dich sicherlich mit offenen Armen empfangen. Du wolltest meine Welt kennenlernen. Nun hast du die einmalige Chance.«
    Harry bewegte sich noch weiter. Mit dem Oberkörper zuerst würde er nach unten fallen. Von dort her drang der alte Gestank zu ihm hoch. Ein Geruch, der ihn anekelte. Er stammte von einer vergehenden Pflanzenwelt, die es so bald nicht mehr geben würde.
    Wieder erschien wie abgerufen das Foto des Toten vor seinen Augen. Er hatte sich den Mann genau angesehen und wußte jetzt, daß er sich auf dem gleichen Weg befand.
    Ein letztes Abgleiten, das Kippen, dann fiel er…
    ***
    Der Wald, die Höhle, die düstere Fremde, der andere Geruch, die modrige Umgebung, das in Nuancen vorhandene Grün, das schleierartige Licht, das seine dünnen Fahnen zwischen Bäume und Unterholz gelegt hatte - es war eben dieser Welt für sich, in der wir uns bewegten und beinahe der Verzweiflung nahe waren.
    Zwar hatten wir den Schuß gehört, aber es war uns nicht gelungen, festzustellen, wo er abgegeben worden war. Die Richtung hatte sich einfach nicht bestimmen lassen, und der Wald war ziemlich groß, sehr breit, auch tief.
    Und er war noch überschwemmt.
    Wir gingen durch Wasser, dessen Pegelstand unterschiedlich hoch war. Es war nicht zu erkennen, wie hoch es tatsächlich stand, weil es in dieser Umgebung einfach zu dunkel war. Manchmal traten wir in kleine Löcher hinein und sanken bis über die Knie weg, dann wieder spülte das Wasser nur noch bis zu den Knöcheln oder Schienbeinen.
    Und mit noch einem Nachteil hatten wir zu kämpfen. Es gelang und nicht, leise zu gehen. Jeder Schritt wurde von platschenden Lauten begleitet, so daß jemand, der sich hier im Wald konzentrierte, uns einfach hören mußte.
    Hinzu kam die Natur als Hindernis. Hier wurde der Wald so gelassen wie er wuchs. Man hackte keinen Baum ab, man senste nichts weg. Die Schwächeren wurden von den Stärkeren erdrückt, und so kam es, daß zahlreiche Bäume nicht mehr standen, sondern geknickt waren. Durch Sturm oder durch die Kraft der starken Bäume waren sie umgerissen worden und bildeten starke Hindernisse auf dem Boden.
    Nicht alle waren zu umgehen. Es hätte uns zuviel Zeit gekostet. So waren wir gezwungen, über die Hindernisse hinwegzuklettern, was auch nicht immer einfach war, weil das vor sich hin schimmelnde Holz oft glatt wie Eis war.
    Aber wir machten weiter, und wir drangen immer tiefer in dieses Gelände ein. Deshalb änderte sich auch das Licht. Die hellen Streifen blieben zurück, es wurde dunkler, nie grau oder schwarz, immer blieb es grünlich. Wir waren hinein in einen Flickenteppich aus Licht und Schatten geraten und sahen immer als nächstes Ziel den Ort an, der noch vom Sonnenlicht beleuchtet wurde.
    Ich ging vor. Dagmar blieb hinter mir. Ich hörte manchmal ihre Flüche und auch heftiges Atmen.
    Beide sorgten wir uns um Harry Stahl. Nach dem Schuß war nicht auszuschließen, daß wir irgendwann auf seine Leiche stießen.
    Vor einer derartigen Entdeckung fürchteten wir uns beide, aber ausschalten konnten wir sie auch nicht. Und es mußte jemand geben, der geschossen hatte.
    Wirklich eine Hexe? Eine Person, die unter dämonischem Einfluß stand und in diesem Wald regierte? Dagmar hatte mir von Harrys Gespräch berichtet, und er hatte sich auch nur auf das verlassen können, was ihm der Junge erzählt hatte.
    Einige Male war ich schon stehengeblieben. Ich wollte nach irgendwelchen Geräuschen lauschen.
    Nach Stimmen von Menschen. Ich hatte keine gehört. Der Wald schlief nicht. Die Laute, die wir hörten, stammten von Tieren. Hin und wieder drangen die Schreie der Vögel auf uns nieder, aber auch Insekten summten dicht an unseren Ohren entlang.
    Wir kämpften uns durch. Manchmal hingen uns Schlingpflanzen entgegen wie im Regenwald. Es gab auch viel totes Holz, dessen Rinde eine bleichweiße Schimmelschicht erhalten hatte.
    Vor mir ragte plötzlich eine gewaltige Baumwurzel in die Höhe. Einer mächtigen Kraft war es gelungen, den gewaltigen Baum nicht nur zu knicken, sie hatte es auch geschafft, das Wurzelwerk aus dem Boden zu reißen. Zum Teil lag es noch im Wasser, ansonsten baute es sich vor uns auf wie eine mächtige Skulptur. Es gab sogar Spinnennetze, die die einzelnen Stränge miteinander verbanden.
    Ich blieb vor diesem Gebilde stehen und drehte den Kopf.
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