Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
106 - Schatten des Krieges

106 - Schatten des Krieges

Titel: 106 - Schatten des Krieges
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Kampfes.
    Hinter ihm wurden die Stimmen immer leiser, vor ihm wich der Rauch der kühlen, metallisch schmeckenden Luft des Bunkers.
    Als die Schüsse nur noch ein dumpfes Echo in den Gängen waren, riss sich Ramon den Helm vom Kopf. Er hatte geglaubt, darunter ersticken zu müssen. Mit dem Uniformärmel wischte er den Schweiß von seiner Stirn und lehnte sich gegen die Wand. Häufig hatte er sich mit seinen Kameraden darüber unterhalten, wie sie sich wohl in einer Schlacht verhalten würde. Sie alle waren der Meinung gewesen, man geriete in eine Art Trance und würde die Angst nicht mehr spüren. Jetzt wusste er, dass das falsch war. Man spürte die Angst nicht nur, sie erdrückte den Geist und lähmte den Körper. Er konnte nicht dorthin zurück, egal welche Befehle er aus dem Helmlautsprecher hörte.
    Würdest du zurückgehen, um deine Schwester zu retten? , fragte die innere Stimme, die Ramon als sein Gewissen bezeichnete. Würdest du zurückgehen, um alle zu retten?
    Er dachte darüber nach, während die kühle Luft seinen Schweiß trocknete und sein Atem sich beruhigte.
    Nein , dachte er dann. Ich würde auch nicht zurückgehen, um mich zu retten.
    Ramon wartete darauf, Scham oder Widerwillen zu spüren, doch er fühlte nur Erleichterung darüber, endlich sich selbst zu kennen. Wenigstens dabei hatte ihm die Schlacht geholfen.
    Er stieß sich von der Wand ab und bog in einen Seitengang ein. Hier wollte er das Ende der Schlacht abwarten. In dem Chaos, das rund um den Reaktor herrschte, würde man ihn ohnehin kaum vermissen.
    Müde legte er den Helm auf den Boden und setzte sich darauf. Er lauschte auf die Befehle aus dem Lautsprecher, auf die Rufe nach Sanitätern, die Feindsichtungen, die Bitten um Verstärkung, die gebrüllte Siegesmeldung, als der erste Cyborg fiel und die Schüsse, von denen die Stimmen immer wieder überlagert wurden. In Gedanken sammelte er die Meldungen, konstruierte daraus seine Geschichte der Schlacht, die er später erzählen würde. Er war schon immer ein guter Lügner gewesen.
    »Ramon!«
    Der Schreck ließ ihn so heftig zusammenzucken, dass er vom Helm rutschte und sich schwer auf den Boden setzte. In der gleichen Bewegung riss er den Driller aus seiner Magnethalterung, entschlossen, jeden zu erschießen, der ihn zu verraten drohte.
    Die Mündung zuckte hoch, bevor er sah, wer dort eigentlich vor ihm stand.
    Es war McGovern, der seine rechte Hand um Juanitas Hals gelegt hatte und mit der linken seinen eigenen Driller hob.
    Ramon schoss.
    ***
    Juanita schrie auf, als die Hitze der Explosion in ihr Gesicht stach. Einen Moment lang wurde es gleißend hell, dann fiel Schwärze wie ein Vorhang über ihre Augen. Sie spürte, wie der Einschlag McGovern nach hinten schleuderte und sie mitgerissen wurde. Sein Körper war hart unter ihrem Rücken.
    Sie schlug nach ihm, versuchte aus seinem Griff zu entkommen und gleichzeitig vor den Schüssen zu fliehen, die ununterbrochen durch den Gang donnerten.
    Endlich ließ der Druck nach. Mit beiden Beinen stieß sie sich ab und rutschte über den Boden, bis ein Hindernis sie stoppte. Ihr Gesicht brannte, als stünde es in Flammen, und egal, was sie auch versuchte, sie konnte die Augen einfach nicht öffnen.
    »Schieß!«, brüllte Frank, als die Schüsse verstummten. Er war irgendwo hinter ihr. Juanita kämpfte die Panik nieder und tastete sich an der Wand entlang, erwartete jeden Moment den tödlichen Einschlag.
    Sie hörte jemanden stöhnen, es klang wie McGoverns Stimme, dann griffen auch schon Hände nach ihr und rissen sie hoch. Sie schlug um sich.
    »Ich bin's!«, schrie Ramon in ihr Ohr. Er hielt sie fest, als wollte er mit ihr tanzen.
    »Schieß!«, wiederholte Frank. »Erschieß sie!«
    Juanita sträubte sich nicht gegen den Griff ihres Bruders. Sie spürte die Mündung des Drillers an ihrem Arm und hoffte, dass sie Teil eines Plans war und nicht nur ein lebendes Schutzschild.
    »Lass sie in Ruhe.« McGoverns Stimme klang verzerrt, wie aus einem schlecht eingestellten Radiosender. »Ob sie leben oder sterben, spielt keine Rolle.«
    »Dann lass sie sterben.«
    Juanita fragte sich, weshalb Frank sie nicht erschoss, wenn er es so sehr wollte.
    »Das gehört nicht zu den Missionszielen«, antwortete McGovern. »Ich befehle den Abbruch der Aktion.«
    »Befehl verstanden.«
    Sie hörte Schritte, die sich rasch entfernten, und spürte, wie Ramon sie zu Boden gleiten ließ.
    »Du musst Crow informieren«, sagte sie und erschrak, als sie ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher