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106 - Schatten des Krieges

106 - Schatten des Krieges

Titel: 106 - Schatten des Krieges
Autoren: Claudia Kern
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Kleidung ihrer Patientin zu unterdrücken suchte. Mittlerweile war ihr wohl klar, dass das meiste des dort klebenden Blutes nicht aus Honeybutts Wunden stammte. Doch sie stellte keine Fragen.
    Honeybutt bedankte sich für die geleistete Hilfe, lehnte aber das Angebot, nun zu duschen und zu schlafen, ab. »Nein, danke. Ich will erst wissen, wie es um Aiko steht«, sagte sie.
    »Das kann ich verstehen.« Die Rotäugige lächelte verhalten.
    »Warten Sie einen Moment, ich sehe mal im OP nach.« Sie verschwand durch eine Schwingtür, die einen kurzen Blick auf einen hell erleuchteten Operationstisch gestattete, der von grün bekittelten Personen umlagert wurde.
    Zwei Minuten später trat eine zierliche Frau mit langen braunen Haaren auf den Gang. Sie hielt einen Mundschutz in der linken, metallisch glänzenden Hand. Es war das erste Mal, dass Honeybutt einem Cyborg begegnete, der seine Prothesen nicht mit gezüchteter Haut kaschierte. Aber auch sonst war diese Frau einzigartig. Sie besaß die gleichen asiatischen Gesichtszüge wie Aiko. Und obwohl sie kaum älter als er wirkte, wusste Honeybutt sofort, dass es sich um seine Mutter handelte. Sie erkannte es an der Trauer, die Naokis maskenhaft starres Gesicht überschattete.
    Obwohl sich beide Frauen völlig fremd waren, gingen sie aufeinander zu und umarmten sich spontan.
    »Wird er es schaffen?«, fand Honeybutt als Erste die Sprache wieder.
    Naoki wischte sich ein Träne aus dem Augenwinkel und zog die Afromeerakanerin mit auf eine Kunststoffbank. Bei Tage gab es im Turm keine Verdunklung. Der hell gestrichene Gang wurde vom warmen Sonnenlicht durchflutet. Trotzdem kam sich Honeybutt wie in einer Eisbox vor.
    »Es steht nicht gut um meinen Sohn«, eröffnete Naoki ehrlich. »Aber wir tun alles in unserer Macht Stehende, um die Folgeschäden so gering wie möglich zu halten.«
    Honeybutt spürte, wie das Blut aus ihren Wangen wich. »Er vergisst ständig, was kurz zuvor geschehen ist«, sprudelte es aus ihr hervor. »An länger zurückliegende Dinge kann er sich dagegen erinnern!«
    Naoki umfasste die Hände der jungen Frau mit den ihren.
    Für einen unwissenden Betrachter mochten sie wie zwei gleichaltrige Freundinnen wirken, in Wirklichkeit trennten sie über fünfhundert Jahre an Erfahrung und Wissen, die bei der Cyborg in schonungsloser Ehrlichkeit mündeten. So schmerzhaft sie auch sein mochte.
    »Das Gewebe rund um die Hirnimplantate ist entzündet«, erklärte sie leise. »Es ist eine Art Wundbrand, der wie ein Gift wirkt, das unaufhaltsam in die angrenzenden Bereiche dringt.«
    »O Gott!« Seit Antritt der Reise hatte Honeybutt nicht ein einziges Mal geweint, doch nun rannen heiße Tränen über ihre Wangen. »Hätte ich doch nur…«
    »Du hast ihn sicher nach Hause geleitet«, fiel ihr Naoki ins Wort, »das allein zählt. Dank dir wird er überleben. Mach dir keine Sorgen, wir schaffen das schon. Aber es wäre gut, wenn du mir noch etwas zu dem Unfall erzählen könntest, bei dem es passiert ist. Danny meinte, es hätte eine Schlacht gegeben, an der auch Aruula und Commander Drax beteiligt waren?«
    Die Rebellin nickte stumm. Zuerst wusste sie nicht, wo sie anfangen sollte. Es gab so viel, was der Enklave von Amarillo noch unbekannt war. Die Außerirdischen im Kratersee, die ISS-Funkgeräte, die eine Kontinente übergreifende Verbindung ermöglichten, oder die Nordmänner, die über Britana herfielen, um den dortigen Fortschritt zu verhindern.
    All das war, bezogen auf die ganze Menschheit, lebenswichtig, und doch spielte es im Augenblick keine entscheidende Rolle. Hastig, und so gut sie es in Worte zu fassen vermochte, berichtete Honeybutt von den Kraftfeldgürteln, die sich in Aikos Fall als unsicher erwiesen hatten.
    Naoki hörte mit fahlem Gesicht zu. Dabei nickte sie hin und wieder, als ob sie langsam besser verstünde. Ihre Hände lösten den Griff und strichen nervös über ihren grünen Arztkittel.
    Plötzlich schien sie voller Tatendrang.
    Honeybutt beendete ihre Ausführungen. Alle weiteren Informationen hatten noch Zeit. Sehr viel Zeit sogar. Vor Aikos Genesung würde sie die Stadt ohnehin nicht verlassen.
    »Ruh dich ein wenig aus«, schlug Naoki vor, im Aufstehen begriffen. »Ich benachrichtige dich, sobald es etwas Neues gibt.«
    »Nein«, widersprach Honeybutt und erntete ein Stirnrunzeln. »Das Trike steht noch am Rande der Stadt. Das will ich erst noch holen.«
    »Aber…« Naoki schien verwirrt. »Das können wir doch
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