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1043 - Engelkinder

1043 - Engelkinder

Titel: 1043 - Engelkinder
Autoren: Jason Dark
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wütender Schlag heran und schüttelte sie durch. Sie würde sich nicht mehr lange halten können, und sie hatte sich auch leider nicht zum Zimmer hingedreht. Der Wind bauschte das helle Kleid auf.
    Es war lang und reichte ihr bis zu den Waden. Mir kam es plötzlich vor wie ein Leichentuch.
    Auch die anderen Helfer fürchteten um das Leben der Frau. »Das packt sie nicht mehr.«
    »Die will auch nicht!«
    »Die scheint high zu sein!«
    Trotzdem versuchten es die Männer der Feuerwehr. Der Helfer im Korb hatte ein Zeichen gegeben, und seine Kollegen ließen die Leiter wieder höher fahren.
    Ich wußte nicht, ob das die richtige Methode war. Im Prinzip wußte ich überhaupt nicht, wie man der Frau helfen konnte. Vielleicht hochfahren und in die Wohnung laufen, aber die war vermutlich abgeschlossen. So sanken die Chancen immer weiter.
    Die Verzweifelte hatte sich bis auf die Mitte der Fensterbank gewagt. Sie mußte den linken Arm jetzt weit gestreckt halten, um überhaupt noch Kontakt mit der Ecke zu finden. Für mich war es nicht mehr als ein bloßes Berühren.
    Die Frau schaute jetzt direkt nach unten. Ob der Scheinwerfer sie blendete, war von meiner Position her nicht zu erkennen. Jedenfalls durchlief plötzlich ein Zittern ihren Körper, und sie wirkte jetzt so, als wollte sie springen.
    Leicht knickte sie in den Knien ein. Ihr Mund öffnete sich. Erst war es nur ein Schrei, der in die Tiefe drang, doch aus ihm kristallisierten sich Worte.
    »Ich komme zu euch. Ich werde zu den Engeln schweben…«
    Ein Ruck.
    »Verdammt!« schrie jemand.
    Der Körper schwankte. Die Frau hatte auch ihren letzten Halt losgelassen und drückte sich dann nach vorn. Sie mußte einfach das Gleichgewicht verlieren. Hinzu kam der plötzliche Windstoß. Er fing sich in der Nähe des Fensters und packte auch sie.
    Die Frau fiel!
    Jubelte sie? Schrie sie? Ich wußte es nicht zu sagen. Als bestünde sie aus Eisen und als wären meine Augen Magneten, so wurde mein Blick von diesem fallenden Körper angezogen, der im ersten Moment so wirkte, als sollte er noch einmal in die Höhe getrieben werden.
    Das passierte nicht. Die Selbstmörderin mußte schon den Gesetzen der Erdanziehung Folge leisten.
    So raste sie dann in die Tiefe. Sie fiel vornüber, die Beine gespreizt, die Arme ebenfalls. So wirkte sie wie eine Fallschirmspringerin, die vergessen hatte, ihren Schirm auf den Rücken zu schnallen.
    Sie fiel sicherlich nicht langsam. Mir kam es so vor, und ich stand da wie ein Springer auf der weißen Startlinie, aber ich ging nicht vor. Die Welt um mich herum war in diesen langen und so schrecklichen Augenblicken eine andere geworden. Sie hielt den Atem an, und das gleiche schien auch mit der Zeit passiert zu sein.
    Die Frau fiel, fiel und fiel. Dann schlug sie auf!
    Ein schreckliches Geräusch. Ich würde es nicht in meinem Leben vergessen. Ich suchte auch nicht nach irgendwelchen Vergleichen, es war einfach zu schlimm. Es war eben nur dieses Geräusch vorhanden, das mir nicht mehr aus dem Kopf wollte und mich sicherlich noch eine Weile verfolgen würde.
    Der Körper war nicht mehr zu sehen. Er lag zwischen den im Halbkreis stehenden Fahrzeugen.
    Nichts, aber auch gar nichts hatte es gebracht, daß hier die Helfer erschienen waren, und auch ich fühlte mich in diesem Fall wie ein Versager.
    Die Welt um mich herum erwachte wieder. Stimmen! Schreie! Hektik! Die Polizisten und Feuerwehrleute liefen dorthin, wo der Körper am Boden lag.
    Auch ich ging. Nur langsamer. Hinter mir verdichtete sich der Ring der Gaffer. Weiter entfernt drückte ein Autofahrer wild auf seine Hupe, weil er nicht weiterkam. Das Geräusch störte mich ebenso wie auch die in manchen Fenstern stehenden kleinen und beleuchteten Tannenbäume. Ein kitschiger Schmuck aus Kunststoff mit hellen Augen, die allesamt dem fallenden Körper nachgeschaut hatten.
    Ich fand meinen Weg bis in die direkte Nähe der Frau. Man hielt mich auch nicht zurück, während die Rettungsleiter langsam wieder zusammensank und einen wandernden Schatten auf dem Boden hinterließ.
    Der Aufschlag aus dieser Höhe war tödlich gewesen. Das harte Pflaster hatte den Körper zerstört. Es gab wohl nichts an ihm, was nicht gebrochen war. Die Selbstmörderin war mit dem Gesicht zuerst aufgeschlagen. Sie hatte sich beim Aufprall auch nicht gedreht, so daß ich ihr Gesicht nicht sah.
    Dafür allerdings die Blutlache. Sie sickerte unter dem Kopf hervor und breitete sich wie rotes Öl immer mehr aus. Natürlich waren
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