Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
101 - Schiffbrüchige des Universums

101 - Schiffbrüchige des Universums

Titel: 101 - Schiffbrüchige des Universums
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
erschöpft, um davonzulaufen. Auch kam ihm die Gestalt nicht gerade gefährlich vor. Ein Daa'mure war es jedenfalls nicht.
    Als er nach vier, fünf Minuten wieder den Kopf hob, blickte er in ein maskenhaftes Gesicht. Oder nein, es war eine Maske, starr und ausdruckslos. Kinnspitze, Stirn und Kieferpartien sahen aus wie glanzlose, gegeneinander bewegliche Kunststoffplatten, die Augen wie aus gelben Kristallen. Der Hals unter dem Gesicht war eine hydraulische Säule, umgeben von kleinen Schläuchen und einer Vielzahl winziger Spiralkabel, Ventile, Schrauben, Nieten und Drähte. Und darunter ein Brustkorb aus stahlgrauen Platten, Scheiben und Lamellen. Das Gestänge von Armen und Beinen bewegte sich nicht.
    Smythe kicherte und schlug mit der flachen Hand in den Schlamm. Ihn würde so schnell nichts mehr aus der Fassung bringen.
    »Ich bin Dr. Nikati Rostow. Bitte töten Sie mich.« Die Maschine hob ihre rechte Kunsthand. Darin hielt sie eine Zange fest. »Sie müssen nur diese beiden Kabel durchtrennen.«
    Mit dem feinen Gestänge ihrer Linken deutete sie auf zwei Kabelstränge, die zwischen Rumpf und Schädel am hydraulischen Hals verliefen.
    Smythe rappelte sich hoch, nahm der Maschine die Zange aus der mechanischen Klaue. Ihre Schädelwölbung war durchsichtig, und als er sich auf die Zehenspitzen stellte, sah er ein menschliches Hirn in einer gelben Flüssigkeit schweben.
    »Bitte töten Sie mich, ich halte es nicht mehr aus.«
    »Sie sind mir ein bisschen zu interessant, um sie einfach so abzuschalten.« An dem Maschinenhirn vorbei ging Smythe auf die Palisade zu. Hinter dem Tor sah er Gestalten sich über den Strand bewegen.
    »Sie gebieten über die abscheulichsten Mutationen«, sagte die Blechstimme. Rostow stelzte ihm hinterher. »Gestern noch war der Strand hier zwischen den Palisaden mit Hunderten von Wesen bevölkert. Eine Art Qualle hat sie dutzendweise aufgesaugt. Den Brei ihrer Substanz hat sie in eine Höhle gebracht. Sie ernähren ihre frisch geschlüpften Körper damit. Es gibt viele solcher Höhlen, und viele solcher quallenartigen Bestien…«
    Smythe blieb stehen, drehte sich um. »Halts Maul!«
    Das Maschinenhirn verstummte. Sie gingen weiter, stumm jetzt. In der Toröffnung ließ sich Smythe erschöpft in den Sand sinken.
    »Geben Sie mir meine Zange zurück«, sagte der Kunstmensch. Smythe reagierte nicht.
    Am Strand herrschte emsiges Treiben. Menschenähnliche Gestalten schleppten Gegenstände zu zwei gewaltigen Fahrzeugen. Panzer, vermutete Smythe. Sie schienen sie für eine Expedition zu beladen. Gut fünfundzwanzig Meter lang waren die rollenden Festungen und vier Meter hoch. Smythe zählte sechs Achsen. Und plötzlich wusste er, wo er so ein dreigliedrig konstruiertes Gerät schon gesehen hatte: im ehemaligen Schweden, als er auf einem gezähmten Eisbärmutanten Drax' Barbarenschlampe verfolgt hatte.
    Russische Bunkerleute aus Helsinki fuhren in dem Ding.
    »Sie werden ihnen nicht entkommen«, schnarrte Rostow.
    »Was?« Smythe blickte ihn irritiert an. »Woher weißt du, dass ich auf der Flucht bin?«
    »Weiß er nicht, Jeecob'smeis!« Die Stimme lachte nicht in seinem Hirn, sondern irgendwo über ihm. Er sah nach oben.
    Auf der Krone der Palisade saßen in rote und schwarze Mäntel gehüllt drei Männer und eine Frau. Die blonde Frau war Taraasis, kein Zweifel.
    Sie sprangen von der Palisade auf den Strand, sprangen einfach zehn Meter in die Tiefe, brachen sich nichts, gingen nur in die Knie, um den Aufprall abzufedern! Motorenlärm brüllte auf; die rollenden Festungen setzten sich in Bewegung.
    »Wir hielten es für angemessen, Sie mit eigenen Augen sehen zu lassen, dass Projekt Daa'mur vorangeht«, sagte einer der Männer. Es war Bowaan.
    Die Panzer hielten noch einmal vor dem Tor. Ein Schott im Bug öffnete sich. Zwei der Männer schritten darauf zu.
    Bowaan und Taraasis winkten. »Geht uns würdig voran, Ordu'lun'corteez und Thul'hal'neiro! Sol'daa'muran leuchte und wärme euch!«
    Die Männer kletterten in den Panzer. Est'sil'bowaan packte den Maschinenmenschen an den Beinstangen und schleifte ihn aus der Tordurchfahrt.
    Smythe starrte Liob'lan'taraasis wütend an. Alles umsonst!
    Sie würden ihn zurückbringen und wieder einsperren.
    »Aber nicht doch, Professor.« Taraasis schüttelte entrüstet den Kopf.
    »Nein?«
    »Nein, wirklich nicht.« Sie lächelte. »Denn in Wahrheit warst du ja niemals fort.«
    Der Strand verschwamm vor Jacob Smythe. Etwas flimmerte grün vor seinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher