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100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

Titel: 100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Autoren: Margit Schoenberger , Joerg Zipprick
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»avoir un cœur d’artichaut«. Dieses Gemüse hat halt nur einen delikaten Boden, aber viele Blättchen, an denen man unten ein wenig herumsaugen kann, erklärten mir Pariser Freunde. Personen mit einem Artischockenherz geben wenig, verteilen dieses Wenige aber auch noch an viele gleichzeitig.
    Vielleicht habe ich mich deshalb besonders mit Artischockenböden angefreundet. Deren frische Bitternoten passen nämlich gut zur Gänseleberterrine. Ein Scheibchen davon auf einem Artischockenboden ist ein Genuss, das Gericht wurde schon von der berühmten Köchin Eugénie Brazier (1895–1976) aus Lyon serviert. Mit Artischockenböden, getrüffeltem Huhn und Hechtklößen kam der Erfolg: Mutter Brazier wurden 150000 Dollar Jahresgehalt im Waldorf Astoria in New York und eine Küche aus purem Gold bei einem indischen Maharad scha angeboten. Artischocken mit Gnocchi, Artischockenravioli und Artischockenrisotto sowie ein großer Teller Artischockenbouillon mit Steinpilzen setzten meine Bekehrung zur Distel fort.
    Mit der Zeit habe ich dann auch gelernt, dass man beim Einkauf auf den Stängel der Artischocke achten muss. Wenn er sich leicht biegen lässt, ist die Artischocke bereits am Austrocknen. Bricht er, dann ist sie frisch. Auch ihre Blätter sollten beim »Falten« sofort brechen. Zu reife, »offene« Artischocken mit schwarz anlaufenden Blättern sind faserig und hart.
    Außerdem sollte man den Stiel an der Tischkante mit einer festen Kreisbewegung abreißen. Wird er mit dem Messer abgeschnitten, können bittere Fasern im Herz verbleiben. Artischocken oxidieren ganz schnell, man sollte sie deshalb in Zitronenwasser tauchen und nach der Zubereitung zügig verzehren. Ein Artischockenherz wartet halt nicht gern lange auf seine Verehrer.

Austern
    Wieder so ein exklusiver Meeresbewohner, der so manchem Binnenland fernsteht und Kopfzerbrechen macht – und ihn dadurch um einen großen Genuss bringt! Mir ging es zumindest lange so. Außer, dass man in einer Auster vielleicht eine Perle finden könnte, dass man sie nur in Monaten mit einem »r« essen dürfe und todkrank von ihnen werden kann, wusste ich nicht viel von ihnen. Und natürlich blies man mir das klassenkämpferische Argument in den Kopf, dass so etwas nur extrem reiche, dekadente Leute essen würden. So viel Geraune und Gewese um einen angeblichen Leckerbissen macht natürlich neugierig. Und irgendwann war es so weit – ich musste aus beruflichen Gründen an einem Austernessen teilnehmen. Wie immer, wenn ich etwas nicht kannte: Ich ahmte das Verhalten der anderen nach, war aber von den Pumpernickel-Butter-Dominos, die dazu gereicht wurden, mehr angetan, als von der sehr gewöhnungsbedürftigen Konsistenz der Schalenbewohner, die mir sogar einen leisen Ekel abnötigte. Mein Negativurteil stand also fest. Bis mir ein wohlwollender, weltmännischer Freund klarmachte, dass ich nur einem spießigen Vorurteil aufgesessen war. Er lehrte mich, wie man Austern genießt: Mit geschlossenen Augen dem Meeresgeschmack nachspüren, das Tier sich im Mund ausbreiten lassen und dann – zubeißen. Seitdem weiß ich, dass Austern eine delikate Ausnahme-Köstlichkeit sind. Wenn mich auch nach wie vor kurz irritiert, dass die Tierchen noch leben, während sie uns solchen Genuss bereiten. Küstenbewohner machen sich solche Gedanken wohl eher nicht, nehme ich an.
    Dort am Meer schmecken sie auch am besten, ob auf Sylt, im bretonischen Cancale oder im irischen Galway. Die ursprüngliche europäische Auster ist übrigens flach und kreisrund. Fachleute kennen sie unter dem Namen Ostrea edulis. Ihre Bestände wurden durch den Bonamia Ostreae-Parasiten dezimiert. Zudem sind die »flachen Austern« ebenso empfindlich wie delikat und deshalb weniger transportgeeignet.
    Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurden deshalb verstärkt portugiesische Austern der Sorte Crassostrea angulata gezüchtet. Ein Virus rottete die Angulata zwischen 1970 und 1972 in vielen Anbaugebieten fast ganz aus. Die japanische Sorte Crassostrea Gigas ersetzte sie in den Austernparks. Damals brach die Austernwirtschaft zusammen.
    Die meisten europäischen Austern stammen also von der Gigas ab – doch auch vermeintlich identische Austern schmecken sehr unterschiedlich, je nachdem, in welcher Region und welchem Wasser sie gezüchtet wurden.
    Fragiler, rarer und teurer sind die flachen, fast runden Austern, wie man sie oft in der Bretagne findet. Eben die ursprüngliche europäische Auster. Mir schmeckt sie am besten. Sie
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