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100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

Titel: 100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Autoren: Margit Schoenberger , Joerg Zipprick
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Weißwein.
    Tatsächlich riecht so eine Andouillette oft gewöhnungsbedürftig herb. Allerdings schmeckt es keinesfalls nach Dreck, sondern streng nach Schwein, manchmal auch ein wenig rauchig.
    Mir ist das Konzept der Andouillette sympathisch: Es geht darum, das ganze Tier, auch die weniger »edlen« Stücke einer sinnvollen und wohlschmeckenden Verwendung zuzuführen. In Deutschland sehen wir nur saftige Steaks und Koteletts in den Läden, nach Möglichkeit in Plastik verpackt, damit nichts uns daran erinnert, dass dieses Stück Fleisch von einem Lebewesen stammt. Wir alle können uns freilich darauf verlassen, dass die anderen Stücke nicht weggeworfen werden, sondern irgendwo versteckt untergemischt, meist in Würsten. Da ziehe ich doch die französische Mentalität vor: Die Andouillette ist eine Wurst aus Innereien, und dort, wo sie hergestellt wird, ist man darauf stolz.
    Ansonsten ist es mit der Andouillette wie mit anderen Vertretern der Gattung Wurst, egal, wie sie heißen: Wurst ist nicht gleich Wurst.
    Das »Atelier« eines der letzten legendären Andouillette-Metzger, »Vater« Duval aus Drancy, wurde 2007 an eine Wurstfabrik verkauft. Doch Nachwuchs steht bereit, jede ordentliche Metzgerei braucht eine Andouillette, über dessen Qualität die AAAAA wacht, die »Association amicale des amateurs d’andouillette authentique«, also die »freundschaftliche Vereinigung von Liebhabern authentischer Andouillettes«. Eine wirklich gute Andouillette bietet Bigot (15, place de l’Hôtel de ville, 60350 Pierrefonds, Frankreich).
    Übrigens hat die Andouillette eine sympathische Cousine: Die Andouille, eine weitere Innereienwurst, die aber meist kalt verzehrt wird. Es gibt sie in verschiedensten Varianten. Fast wie Jahresringe im Baum wirkt die sorgfältig gerollte Andouille de Guémené aus der Bretagne. Sie wird über Eichen- und Buchenholz geräuchert und schließlich neun Monate getrocknet. Eine mittelständische Wurstfabrik in Plélan le Grand erzeugt eine besonders feine Variante: Die Guémenoise de l’Argoat à l’Ancienne ist eine besonders schlanke Innereienwurst mit einem »Herz« aus saftigem Speck. Schon wegen des verringerten Durchmessers wirkt dieses Stück Charcuterie deutlich weniger rustikal als andere Exemplare dieser Gattung. Es ist sozusagen die Einstiegsdroge in die Welt dieser Würste. Und es könnte all die Genießer überzeugen, die sich beim Lesen dieses Texts geschüttelt haben und das Zitat von Herriot partout nicht aus dem Kopf bekommen.

Artischocken
    Wir überheblichen Menschen dichten den Tieren ja viele falsche Eigen schaften an. Den Esel zum Beispiel halten wir für dumm. Wogegen schon spricht, dass er störrisch sein kann – denn wer lässt sich schon bei klarem »Verstand« freiwillig Lasten aufpacken, die einen gar nichts angehen? So dumm kann er aber nicht sein, denn eine seiner Lieblingsfutterpflanzen ist die Distel. Und das hat er mit den Feinschmeckern auf zwei Beinen gemein. Die lieben die Artischocke wegen ihres unverwechselbaren Eigengeschmacks – und die gehört ja wohl in die Familie der Disteln.
    Ich erinnere mich an eine Küchenpleite mit Artischocken, weil mir niemand sagte, wie ich mit dem »Stroh« umgehen sollte und ich nicht den Boden, sondern die fleischigen Blätter für das Nonplusultra hielt. Alles in allem eine ziemlich peinliche Angelegenheit.
    Im Haushalt meiner Eltern gab es eine Hausbar, die wir Kinder schon deshalb interessant fanden, weil sie striktes Sperrgebiet war. Bis auf eine Flasche, auf der »Cynar« stand. Die Bitternis dieses Artischockenlikörs haben wir freiwillig gemieden und fanden, dass sie eigentlich in die Hausapotheke gehört.
    In unserem heutigen Haushalt gibt es keine Artischockengerichte, weil mein geliebter Küchenmeister darauf quasi allergisch reagiert. Die verdauungsanregende Wirkung dieses Distelgemüses erzeugt bei sensiblen Mägen wie dem seinen eine Blitzrebellion. Muss am Bitterstoff liegen, der für die einen eine Köstlichkeit darstellt und für andere zu viel des Guten ist.
    Solche disteligen Artischocken waren auch mir als Halbwüchsigem suspekt, weil ich selbst entscheiden musste, was denn nun essbar ist und was ich besser liegen lassen solle. Das hat mir den Genuss lange Zeit verdorben und mich der Artischocke gegenüber misstrauisch gestimmt. Aber wir beide sind da nicht allein: Von Personen, die sich leicht und an jeder Straßenecke neu verlieben, heißt es in Frankreich, sie hätten ein »Artischockenherz«,
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