Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwefelfluss

Der Schwefelfluss

Titel: Der Schwefelfluss
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Hubert Haensel
    DER SCHWEFELFLUSS
    Die Legende
    Dort, wo sich seit ungezählten Generationen die Stadt Ugalos erhob, war vor Menschengedenken noch finsterer, unwegsamer Wald gewesen, den kaum eines einsamen Wanderers Fuß betreten hatte. Und die, die es gewagt, kehrten nie zurück.
    Die Kunde von einem schrecklichen Ungeheuer, das an den Ufern der Lorana hauste, ging durch alle Lande: von einem feuerspeienden Drachen, größer als das Haus einer ganzen Sippschaft und gefährlicher als jeder Dämon der Finsternis, die damals nur einen schmalen Streifen der Welt in Angst und Verderben hüllte.
    Es hieß, dass zu jener Zeit viele Völker noch Freund waren miteinander und dass reger Handel herrschte zwischen Tainnia, Dandamar und den Südländern. Leider war es aber auch so, dass manches Fischerboot umsonst gegen die Gefahren des sturmgepeitschten Ozeans und die Tücken der Straße der Nebel ankämpfte. Und Dutzende von Wagenladungen gingen verloren oder verdarben, weil die Karawanen etliche Tagesreisen gen Westen oder Osten hin ausweichen mussten. Selbst klingende Goldstücke vermochten die Verluste nicht auf Dauer auszugleichen.
    Ein Mann wagte es, den Kampf aufzunehmen, ein erfahrener und gewandter Kämpfer, der strahlende Sieger in vielen Turnieren und Günstling und Liebhaber so mancher begehrten Herzogstochter. Leichtfüßig wie der Wind war sein Pferd und von einer makellosen Reinheit wie frisch gefallener Schnee.
    Niemand, der seinen Namen nicht kannte und ihn ohne Ehrfurcht auszusprechen gewagt hätte: der Heroe Maynos.
    Aber weniger seine Taten erhielten sein Andenken am Leben als vielmehr der Fluch, der seinem Ende anhing. Keiner in Ugalos, der den Tag herbeisehnte, an dem die Prophezeiung sich erfüllen würde.
    *
    Funkensprühend verformte sich das rotglühende Eisen unter den schwungvollen Hammerschlägen. Kraft und Geschicklichkeit und vor allem ein gutes Auge gehörten dazu, die kaum zwei Finger breite Klinge zu dehnen und mit einer beidseitigen Schneide zu versehen.
    Ohne Zweifel verfügte Jules Dubrahin über diese Eigenschaften. Und außer ihm noch ein Dutzend anderer Gehilfen, die in der Werkstatt arbeiteten. Meister Duprel war ein Könner seines Fachs, unbestritten der berühmteste Waffenschmied Ugaliens, obwohl diese Zunft viele große Meister besaß. Doch war er der größte unter ihnen. Von Duprel Selamy stammten Waffen, wie keines Recken Arm je bessere geführt hatte. Und der Goldharnisch, den der L'umeyn Mormand de Arrival Visond in besseren Tagen getragen hatte, als sein Leib noch nicht von der jetzigen Fülle gewesen, war ebenfalls ein Werk seiner Hände.
    Zischend kühlte das Eisen ab, als es zur Härtung in einen Bottich voll eiskalten Wassers getaucht wurde. Jules Dubrahin sah den sich zur Decke empor kräuselnden Rauchwolken sinnend nach.
    Seine Gedanken befassten sich nicht mit der Arbeit. Seit Tagen schon galten sie dem Schicksal des Meisters, den seit Ende des letzten Neumonds niemand mehr gesehen hatte.
    Jules Dubrahin warf neue Kohlen in die Esse und schürte das Feuer. Dabei trat er so wild auf den Blasebalg, dass der Rauch ihm Tränen in die Augen trieb. Er hustete, fluchte unterdrückt und trat noch heftiger zu.
    Hinter ihm wurde eine Stimme laut: »Hör endlich auf, Jules! Oder willst du uns alle ausräuchern?«
    Dubrahin ließ mit keiner Regung erkennen, dass er die Worte gehört hatte. Erst als eine Hand seine Schulter packte, wandte er sich um. Aus zusammengekniffenen Augen musterte er sein Gegenüber. »Warum störst du mich, Frerick?« brummte er missmutig .
    Frerick Armos, nach Dubrahin derjenige, der am längsten in Meister Duprels Diensten stand, deutete auf den Amboss und den schweren Hammer, der daran lehnte. »Du vergeudest deine Kräfte, Jules«, sagte er vorwurfsvoll, »und du weißt genau, dass das Schwert mit Gefühl geschmiedet werden will. Sonst wird die Klinge wie die von hundert anderen.«
    »Ach, lass mich!« Dubrahin riss sich los, griff nach der Zange und stieß das lange Stück Eisen so heftig ins Feuer, dass Funken nach allen Seiten stoben.
    Aber Armos, sein Freund und Zechkumpan, ließ sich nicht so leicht abweisen. »Du wirst jetzt mit mir reden, Jules, ob es dir passt oder nicht.«
    Dubrahin stocherte in der Glut herum. Winzige Flammen huschten über das Metall, das sich langsam rot färbte. »Ich wüsste nicht, was wir miteinander zu besprechen hätten.«
    »Aber ich weiß es, Jules. Es geht nicht an, dass in unserer Schmiede Waffen gefertigt werden,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher