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Der Schwefelfluss

Der Schwefelfluss

Titel: Der Schwefelfluss
Autoren: Hubert Haensel
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Vor ihren Geschäften waren die Händler damit beschäftigt, die feilgebotenen Waren abzuräumen. Von Osten her zog eine unheilschwere Finsternis auf. In dieser Nacht konnte es gut geschehen, dass erstmals in diesem Winter etliche Kanäle zufroren.
    Aber noch bedrohte das Eis nicht den besten Schutz der Stadt, die beiden Hauptarme der Lorana, die Ugalos einschlossen. Auf sieben Inseln, durch Nebenarme des Flusses getrennt, war die Hauptstadt Ugaliens entstanden, die wiederum von einer Reihe künstlich angelegter Kanäle durchzogen wurde.
    Das Wasser war zum Element ihrer Bewohner geworden; in seinem Schutz durften sie sich bislang sicher wähnen. Hunderte von Brücken verbanden die Landflecken miteinander, die manchmal nur wenigen Häusern Platz boten.
    Zu jeder der sieben großen Inseln führte nur eine gut gesicherte und Tag und Nacht bewachte Brücke über die Lorana. Vier befestigte Bauwerke waren es von Norden her und drei von Süden.
    Dabei spielte sich das eigentliche Leben nur auf den beiden größten Inseln am unteren Flusslauf ab. Was letztlich zu einem unmittelbaren Nebeneinander von Kaufleuten und Handwerkern, von Tagedieben und Dirnen geführt hatte und dazu, dass viele Häuser förmlich in den Himmel gebaut worden waren, um überhaupt noch einen Raum zu schaffen, in dem Menschen leben konnten. Ein wahres Labyrinth war entstanden, in dem Ortsunkundige häufig tagelang umherirrten, ohne ihrem Ziel auch nur nahe zu kommen. Und kaum jemand aus der Bevölkerung wäre willig gewesen, zu helfen, denn Fremde waren in Ugalos nicht gern gesehen.
    Die beiden Gehilfen des Meisters Duprel wandten sich nach Westen. Dort waren die Schenken mit dem besten Wein, dort kamen aber auch die körperlichen Freuden niemals zu kurz.
    Schale, stickige Luft schlug ihnen entgegen, als sie die engen, gewendelten Stufen in ein Kellergewölbe hinab stiegen. Rußende Fackeln in eisernen Gestellen verbreiteten ein spärliches, flackerndes Licht. Dumpfe Männerstimmen und das schrille Kreischen von Frauen drangen von unten herauf.
    Die letzten drei Stufen nahm Dubrahin mit einem Satz, dann stieß er die schwere Tür auf, die zum Schankraum führte.
    Im hintersten Winkel war noch ein Tisch unbesetzt. Mit Ellbogen und Fäusten stieß Armos die Umstehenden beiseite. Die Schenke war zum Bersten voll. Allem Anschein nach machte der Wirt heute das Geschäft seines Lebens. Aus verschiedenen Gesprächsfetzen ließ sich entnehmen, dass es für die Bürger von Ugalos nur ein Thema gab: das merkwürdige Beben, das zu früher Stunde so manchen noch aus dem Schlaf geschreckt hatte.
    »Verdammt viel los«, sagte Dubrahin zwischen zwei tiefen Schlucken aus einem Krug voll schäumenden Gerstensafts. »Und nicht nur gemeines Volk ist da. Dort drüben in der Nische sitzen sogar Adlige von weiter flussaufwärts.«
    Armos nickte. »Sie suchen ihr Vergnügen, und mir scheint, dass sie schon tief in ihre Becher gesehen haben.«
    Eine junge Frau tänzelte heran, das lange, gelockte Haar lose über die Schultern fallend und einen Fetzen Stoff über der Brust nur notdürftig verknotet. Ihre üppige Schönheit kam so voll zur Geltung. Dubrahin schürzte anerkennend die Lippen und bot ihr seine Knie als Sitzplatz an. Sie ließ sich auch sofort nieder und schlang ihm die Arme um den Hals.
    Einige Tische weiter erscholl lautes Gelächter. Ein Krug wurde umgestoßen und ging polternd entzwei. Roter Wein ergoss sich über kostbare Gewänder. Eine betrunkene Stimme rief nach dem Wirt.
    »Herzog Vulleroy«, sagte das Mädchen abfällig, während es sich eng an Dubrahin schmiegte. »Ich kann ihn und seine Leute nicht ausstehen. Alles Angeber und Krachmacher.«
    »Wer?« fragte Armos irritiert, als habe er nicht richtig verstanden.
    »Herzog Vulleroy«, wiederholte sie und schrie vor Schreck auf, als Dubrahin sie recht unsanft von sich stieß. Wie auf ein geheimes Kommando sprangen die beiden Schmiede auf.
    »Denkst du dasselbe wie ich, Jules?« fragte Armos scharf.
    »Mir kam der Kerl vorhin gleich so bekannt vor, obwohl ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Er scheint mir besoffen genug, um sich aushorchen zu lassen.«
    Dubrahin winkte dem Wirt. »Einen Krug Roten«, bestellte er. »Aber randvoll, alter Gauner.«
    Mit dem Gewünschten in Händen zwängten sie sich dann zwischen den Tischen hindurch.
    »Erlaubt, Herzog, dass wir uns zu Euch setzen«, bat Dubrahin und deutete eine Verbeugung an. »Wir hätten uns gerne mit dir unterhalten.«
    »Ich wüsste nicht, was ich
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