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0980 - Die Rächerin

0980 - Die Rächerin

Titel: 0980 - Die Rächerin
Autoren: Jason Dark
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abgeschaltet worden. Ich schwebte durch ein Vakuum, obwohl ich mich noch auf der Erde befand. Ich erlebte in meinem Kopf Dinge, die ich nicht erleben wollte.
    Ich kam mir überflüssig vor, ich erlebte kurze Depressionen, ich war zu nichts mehr zu gebrauchen, weil ich das Grauen in meiner eigenen Wohnung nicht verhindert hatte, und ich stand dicht davor, in ein tiefes Loch zu fallen, aus dem ich mich nicht wieder würde befreien können.
    Auf keinen Fall durfte ich den Blick für die Realitäten verlieren, aber es war verdammt schwer, normal zu bleiben und nicht seinen Gefühlen nachzugeben. Hier hatte jemand furchtbar gewütet, doch Eva Karman lebte noch.
    Sie lag auf dem Boden und dabei halb auf der Seite. Die blutbefleckte Hand hatte sie dabei um die Türkante gekrallt. Ihr Gesicht war so schrecklich bleich, zugleich auch mit roten Spritzern bedeckt.
    Das Blut stammte aus einer tiefen Brust- und Schulterwunde.
    Ich konnte den Anblick der um den Türpfosten gekrallten, blutigen Hand nicht länger ertragen. Sehr vorsichtig fasste ich sie an, als wäre sie zerbrechlich, dann löste ich sie und ließ sie langsam zu Boden sinken. Ich wollte Eva nicht wehtun.
    Durch die Veränderung bewegte sich ihr Körper wieder. Er verließ seine leicht schräge Lage, ich fing ihn ab, und dann legte ich die Frau auf den Rücken.
    Jetzt schaute ich in ihr Gesicht.
    Sie lebte, obwohl ihr Körper so steif wie der einer Toten war. Ich sah es an ihrem Gesicht, an den Augen, deren Blick noch nicht erloschen war. Aber er »flatterte«, wie man so schön sagte. Es war der Blick eines Menschen, der kurz davor stand, sich von dieser Welt zu verabschieden. Ich überlegte, ob es noch Sinn hatte, einen Notarzt zu alarmieren, aber er würde zu spät kommen. Es waren die letzten Sekunden, die mir blieben, um vielleicht etwas über den Killer zu erfahren.
    »Eva…?« Meine Stimme war leise, aber immerhin so laut, dass man sie einfach hören musste.
    Sie rührte sich nicht.
    Ich wiederholte ihren Namen und vernahm kurz danach ein sehr leises Seufzen. Das Blut an ihrem Körper übersah ich, denn jetzt konzentrierte ich mich auf ihr Gesicht, in dem die Lippen so bleich waren und zitterten.
    Ich streichelte sie. Das blonde Haar war verklebt. Das feingeschnittene Gesicht wirkte wie dünnes Porzellan. Aber es war auch die Anstrengung darin zu erkennen, gegen die Eva Karman zu kämpfen hatte.
    Ihr Atem war da, aber kaum zu spüren. Ebenso wie das Zittern ihrer Glieder. »John…?«, hauchte sie zurück.
    Ich lächelte. Es war ein erstes Ergebnis. Sie hatte mich gehört und mich verstanden. »Okay, Eva, okay. Ich bin jetzt bei dir. Wir werden alles gemeinsam durchstehen. Ich hole einen Arzt. Er wird sich um dich kümmern. Du kommst in das beste Krankenhaus, wo du in den besten Händen der Fachleute bist, und wirst…«
    »Nein, John, nein…« Wäre es ihr möglich gewesen, den Kopf zu schütteln, sie hätte es bestimmt getan. So aber musste sie einfach nur auf dem Boden liegen bleiben und sich möglichst wenig bewegen, denn jede Bewegung hätte die Schmerzen noch stärker in ihr hochschießen lassen. »Das ist nicht mehr nötig. Ich wollte nur nicht sterben, bevor ich mit dir gesprochen habe. Ich habe so lange auf dich gewartet. Ich habe mich tot gestellt, aber jetzt …«
    »Wer war es, Eva?«
    »Feinde, alte Feinde…«
    »Sie haben euch gefunden?«
    »Ja.«
    »Warum und wo? Weißt du das?«
    »Es war so schrecklich. Sie haben uns erkannt. Wir wollten euch noch einmal…« Sie hatte plötzlich Schwierigkeiten, sich auszudrücken. »Noch einmal besuchen«, flüsterte sie. »Verabschieden, bedanken, aber dann …«
    »Bitte, Eva, denk jetzt nicht an uns, sondern an euch. Wie konnte es passieren?«
    »Shao«, hauchte sie.
    Ich war wie elektrisiert. »Bitte!« Sie musste sich geirrt haben. Shao konnte damit nichts zu tun haben. Das war unmöglich – oder?
    »Sie hat uns eingelassen. Wir wollten dich überraschen.« Eva gelang es, wieder klarer zu sprechen. »Wir haben noch mit ihr gesprochen und Tee getrunken. Wir wussten ja nicht, wohin wir hier in London sollten. Deshalb haben wir gewartet.«
    »Dann sind sie gekommen, nicht?«
    »Ja…«
    »Wer? Wer war es? Kannst du dich erinnern?«
    »Verfolger«, flüsterte Eva.
    Ich räusperte mich. »Was sagst du? Man hat euch verfolgt?«
    »Yakup und ich ahnten es.«
    »Kanntet ihr die Verfolger?«
    »Feinde.«
    »Kannst du sie beschreiben?«
    Ihr Gesicht verzog sich. Plötzlich glänzte die Haut noch stärker
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