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0975 - Burning Man

0975 - Burning Man

Titel: 0975 - Burning Man
Autoren: Anika Klüver und Simon Borner
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biss seelenruhig in sein Käsebrot. Es war ein stattlicher Geselle von vielleicht fünfundfünfzig Jahren. Sein beachtlicher Bauchumfang harmonierte mit seinem Seehund-Schnauzer und den fettigen kurzen Haaren. »Mister Zamorra, so lassen Sie die Kirche doch im Dorf!«, redete er beschwörend auf den Meister des Übersinnlichen ein. »Hier verschwinden dauernd Leute. Das ist ganz normal. Beim Burning-Man-Festival geht es um Individualität. Um persönliche Freiheit und Selbstentfaltung. Dass dabei hin und wieder jemand scheinbar vom Angesicht der Erde fällt, gehört dazu. Ich versichere Ihnen, die tauchen schon wieder auf, sowie ihr Drogenrausch nachlässt oder sie ihre Wüstenmeditation beendet haben.«
    Zamorra wusste nicht, was ihn mehr aufregte: die offenkundige Ignoranz dieses speckigen Polizeibeamten oder seine süffisant-altkluge Art. »Das heißt, Sie werden nichts unternehmen? Absolut gar nichts?«
    Officer Schnauzbart hob die Brauen. »Ich wüsste nicht, wozu, Sir. Ich kann gern Ihre Aussage zu Protokoll nehmen, aber für eine Vermisstenanzeige müssen mindestens achtundvierzig Stunden vergangen sein. Und ehrlich gesagt, würde ich selbst dann noch nicht handeln wollen. Wir sind hier in Black Rock City - einer Stadt voller Freaks, Selbstdarsteller und verkappter Hippies. Hier gelten andere Gesetze. Eine andere Normalität. Glauben Sie mir ruhig, ich bin nicht zum ersten Mal auf diesem Festival stationiert.«
    »Und was ist mit seinem Aufzug?«, fuhr Lenny auf. »Beweist Ihnen das denn gar nichts?«
    Der Kampf in der Wüste hatte dem Meister des Übersinnlichen arg zugesetzt. Auf seiner Stirn klebte verkrustetes Blut, und seine Kleidung hatte sichtliche Risse bekommen, wo die Krallen der Furcht einflößenden Geisterwesen sie berührt hatten. Und seit dem Geschehen in Las Vegas, das ihn erst auf die Spur der hiesigen Geschehnisse gebracht hatte, war es mit seiner Kraft ohnehin nicht mehr zum Besten bestellt. Wie erholte man sich von seinem eigenen Tod?
    »Kleiner, ich hab hier echt schon alles gesehen«, sagte der Schnauzbart und sah den jungen Nerd mit nahezu väterlicher Güte in den Augen an. »Erst vor zwei Stunden schwankten hier zwei splitterfasernackte und vollkommen breite Omas rein, die ein Ticket zum Mars buchen wollten. Da fällt ein verschmutzter und blutender Franzose nicht weiter auf.« Er nickte Zamorra zu. »Wenn Sie wollen, können Sie sich diese Wunden im Lazarettcontainer nebenan reinigen lassen. Schaden dürfte es nicht.«
    Zamorra seufzte. Hier, auf der behelfsmäßigen Polizeiwache von Black Rock City, zu der Lenny ihn trotz seiner Proteste geführt hatte, konnten sie keine Hilfe erwarten. Er hatte gehofft, auf verständnisvolle Beamte wie Jeff Rawlins drüben aus Vegas zu treffen - oder zumindest jemanden zu mehr Wachsamkeit ermutigen zu können. Leider vergebens.
    »Komm, Lenny«, sagte er leise und legte dem jungen Nerd, der ihn herbegleitet hatte, die Hand auf die Schulter. »Wir haben Wichtigeres zu tun, als mit Sturköpfen zu reden.«
    Im Hintergrund des kleinen Büros öffnete sich eine Tür und Officer Ann Lively betrat die Wache. Sowie sie Zamorra sah, hob sie ungläubig die Brauen. »Hat er wieder Zauberkunststücke gemacht, ohne vorher eine Erlaubnis einzuholen?«, fragte sie ihren diensthabenden Kollegen. »Monsieur, ich hab’s Ihnen schon einmal gesagt: Ohne Genehmigung sind derartige Feuer- und Lichtshows hier strengstens verboten!«
    Zamorra tat, als habe er sie nicht gehört, und verließ mit Lenny den Container. Kalte Nachtluft begrüßte sie draußen.
    Behördliche Ignoranz war etwas, das ihm bei seinen Abenteuern immer mal wieder begegnete und ihn nahezu immer verblüffte. Wie konnten Menschen im Angesicht des Paranormalen derart blind… »Vorsicht!«
    Lennys Warnschrei ließ den Professor innehalten. Reflexartig wirbelte er herum - und fand sich zum zweiten Mal in dieser Nacht Auge in Auge mit einem Geisterkojoten wieder!
    Das bizarre Wesen kauerte keine zwei Schritte von ihm und Lenny entfernt: glutrote Augen und ein unangenehm leuchtender Körper, der zu wabern schien wie eine Fata Morgana. »Hey, Leo«, knurrte es mit der perversen Kopie einer menschlichen Stimme. »Wie läuft’s, Alter? Haste schon eine flachgelegt?«
    Leo ? Zamorras Gedanken überschlugen sich. Das Ding kennt den Jungen? »Wessen Stimme ist das, Kleiner?«, raunte er dem Nerd zu, ohne den Blick von der unheimlichen Erscheinung zu nehmen. »Es scheint dich zu kennen, also: Wer ist
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