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0953 - Der Vampirwolf

0953 - Der Vampirwolf

Titel: 0953 - Der Vampirwolf
Autoren: Jason Dark
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sich vorstellte.
    Das Kreuz stand auf einem Altar. Rechts und links davon hatten die mit Weihrauch gefüllten Schalen ihre Plätze gefunden. Es war frische Glut in die Schalen hineingelegt worden. Sie hatte sich in die Kräuter hineingefressen, sorgte für den Rauch und auch für den Duft, der die kleine Kirche schwängerte.
    Der Pope betete. Er betete voller Inbrunst. Er betete nicht für sich, sondern für die Menschen, die er von dem unseligen Fluch und der mörderischen Gefahr befreien wollte, in der alle schwebten. Oder geschwebt hatten, denn es war Dragan Samescu gelungen, das Böse zu stellen und einzusperren.
    Nun mußte es nur noch begraben werden.
    In dieser Nacht noch, was vielleicht zu spät war, aber der lange Regen hatte erst nachlassen müssen, sonst hätte alles keinen Sinn gehabt. Der alte Mann mit dem grauschwarzen Vollbart wünschte sich auch, daß die Erde nicht zu stark aufgeweicht war, und er betete darum, daß der Allmächtige seine schützenden Hände über ihn und die anderen Gerechten halten würde.
    Die Zeit verstrich. Nach wie vor war der Pope in ein tiefes Gebet versunken. Und er weinte. Die Tränen lösten sich wie kleine Perlen aus seinen Augen. Sie liefen über die Wangen nach unten und nahmen den Weg durch die zahlreichen Furchen in der alt gewordenen Haut des Mannes.
    In der kleinen Kirche gab es nur wenig Licht. Die Kerzen standen so verteilt, daß wichtige Dinge hervorgehoben werden konnten, wie die Bilder mit den Heiligen an den Wänden oder die vier Ikonen in der Ecke, vor denen ebenfalls Kerzen brannten.
    Der Geruch des Weihrauchs wirkte auf einige Menschen betäubend, aber nicht auf Dragan. Er nahm ihn wahr, er saugte ihn ein, und er hatte dabei das Gefühl, als würde sein Kopf gereinigt und von letzten bösen Gedanken befreit werden.
    Das Kinn berührte beinahe seine Brust, so tief hielt er seinen Kopf gesenkt. Die Hände stützte er auf dem waagerechten Brett der Betbank ab, seine Lippen bewegten sich, doch Worte drangen nicht ins Freie. Der alte Mann betete still.
    Bis er plötzlich den Mund öffnete und tief Luft holte. Dieser Atemzug deutete gleichzeitig das Ende seines Gebets an. Er blieb noch eine Weile knien, wie jemand, der aus einem tiefen Schlaf erwacht war und sich erst erholen mußte.
    Als er die Zeit für gekommen hielt, stand er mit schwankenden Bewegungen auf. Er hatte zu lange gekniet, sein Kreislauf machte nicht mehr so richtig mit, so hatte der Pope manchmal das Gefühl, nach dem Beten einfach fallen zu müssen.
    Auch heute.
    Er streckte mühsam seinen Arm aus und hielt sich an der Außenkante des Betstuhls fest, wobei er darauf wartete, daß die Weichheit in seinen Knien verschwand.
    Nie war es so schlimm gewesen wie in dieser Nacht. Der Schwindel wollte einfach nicht weichen, er hielt ihn umkrallt, und das Innere der Kirche schwankte vor seinen Augen, als wollten alte Mauern einstürzen und ihn unter sich begraben.
    Aber er hielt sich.
    Der Schwindel ging vorbei, der Kreislauf stabilisierte sich wieder, aber der alte Mann nahm es als Warnung und wollte nichts überstürzen.
    Er würde und mußte langsamer vorgehen. Auch so konnte er sein Ziel erreichen. Nur auf seinem Gesicht blieb der Schweiß kleben, und die Schicht wurde dicker und dicker. Er wischte mit dem Ärmel seiner schwarzen Soutane darüber hinweg und schaute sich dann den glatten und helleren Streifen auf dem Stoff an.
    Als er sich wieder beruhigt hatte, ging er auf den Ausgang der kleinen Kirche zu.
    Der Pope wußte nicht, wie oft er diesen Weg schon gegangen war, aber er hatte jetzt das Gefühl, diesen Weg zum letztenmal zu gehen.
    Oder warum schaute er sich alles so überdeutlich an? Also wollte er von den Kerzen, den Bildern, dem Fußboden aus Stein, den geschnitzten Bänken, den Fenstern und Ikonen ein für allemal Abschied nehmen. Er sah auch diese schmalen bunten Fenster, die Motive aus der Kirchengeschichte zeigten.
    All dies war ihm so wunderbar vertraut, aber er wußte auch, daß er diese Dinge nicht mehr oft würde sehen können.
    Vorher aber mußte der Unhold vernichtet werden.
    Neben der Tür blieb Dragan Samescu stehen. Er griff in eine kleine Nische und holte den alten, mit Weihwasser gefüllten Sprenger hervor.
    Es war eine Kugel, an der ein Griff angebracht war. Eigentlich aber waren es zwei Kugeln von unterschiedlicher Größe, wobei die eine über die andere geschoben war. Drehte er die beiden Kugeln auseinander, wurden die Löcher in der unteren sichtbar. Durch die spritzte
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