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094 - Der Teufel von Tidal Basin

094 - Der Teufel von Tidal Basin

Titel: 094 - Der Teufel von Tidal Basin
Autoren: Edgar Wallace
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kaltblütig.
    ›Existiert denn Bateman nicht mehr?‹
    Sie tat meine Frage mit einer Handbewegung ab, aber ich wußte sofort, daß sie ihn noch liebte, obwohl er sie verlassen haben mußte.
    ›Wir haben uns seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Er ist fort.‹
    Sie erzählte mir, was für ein armseliges Leben sie führen müsse, und ich hatte Mitleid mit ihr. Aber ich wußte, daß auch sie an dem Verrat ihren Anteil gehabt hatte, ich dachte an die vielen Qualen, die mein Bruder ausgestanden hatte, und verweigerte ihr jede Hilfe. Ich war über ihre Kaltblütigkeit erstaunt, denn sie sagte mir, sie selbst habe der Polizei die weißen Masken ausgehändigt, die wir bei unserem Überfall benützt hatten.
    Ich stand auf und öffnete die Tür.
    ›Bitte geh‹, forderte ich sie auf.
    Aber sie rührte sich nicht.
    ›Ich brauche hundert Pfund‹, erklärte sie. ›Ich will nicht länger in Armut leben.‹
    Ich sah sie entsetzt an.
    ›Warum sollte ich dir denn hundert Pfund geben, selbst wenn ich sie hätte?‹
    ›Wenn du mir das Geld nicht gibst, brauche ich ja nur zu sagen, daß du im Gefängnis gesessen hast. Dann ist es mit deiner Praxis vorbei.‹
    Von dieser Zeit an hat sie mich erpreßt. Durch ihr Dazwischentreten wurden alle meine Besprechungen über den Haufen geworfen. Ich hatte Lampen, Bettstellen und Instrumente bestellt und konnte nun meinen Verpflichtungen nicht nachkommen.
    Wenn ich sie hätte bestimmen können, Tidal Basin zu verlassen, hätte ich wenigstens etwas Ruhe gehabt. Aber obwohl ich ihr jede Woche eine größere Summe gab, konnte ich sie nicht bewegen, nach dem Westen zu ziehen.
    Warum sie sich weigerte, eine andere Wohnung zu nehmen, wußte ich nicht, bis mir eines Tages blitzartig die Erklärung kam. Sie glaubte, daß ich früher oder später mit Donald Bateman zusammenstoßen würde, und sie wollte in der Nähe sein, um mich zu beobachten und ihrem Liebhaber das Leben zu retten. Vielleicht hat sie eine Vorahnung gehabt - darüber will ich nicht urteilen. Es schien nicht die geringste Möglichkeit zu bestehen, daß ich Donald Bateman noch einmal begegnen würde. Selbst wenn er wieder in London auftauchte - würde er ausgerechnet in die abgelegene, traurige Gegend von Tidal Basin kommen?
    Und doch gibt es merkwürdige Zufälle im Leben. Der erste Arzt, den ich traf, als ich in diesen Bezirk kam, war Dr. Rudd. Und Bateman hatte öfter von diesem Mann gesprochen, denn Rudd war Anstaltsarzt in einem Zuchthaus gewesen, in dem Bateman eine zweijährige Strafe absaß. Ich erinnerte mich sofort an den Namen. Bateman haßte ihn, weil er auf Rudds Veranlassung eine Zusatzstrafe bekommen hatte. Er hatte ihn mir auch so genau beschrieben, daß ich ihn sofort erkennen konnte.
    Ich mußte immer mehr Gelder für die Klinik aufbringen, denn ich war ehrgeizig und wollte sie vergrößern. Auch Lorna forderte ständig mehr von mir.
    Ich weiß nicht, wie ich auf den Gedanken kam, aber wahrscheinlich faßte ich den Plan, als mir der alte Gregory Wicks seinen Kummer anvertraute. Er konnte seinen Beruf als Chauffeur nicht mehr ausüben, weil er fast blind geworden war. Der Mann tat mir leid. Ich dachte darüber nach, wie nützlich ein Taxi war, und wie leicht ich mich als Gregory verkleiden konnte. Ein Gedanke jagte den anderen, und als der Plan schließlich greifbare Gestalt gewann, packte mich eine fast fieberhafte Erregung. In meiner Jugend hatte ein Märchen großen Eindruck auf mich gemacht, in dem ein alter Wegelagerer die Reichen beraubte, um ihre Schätze den Armen zu geben. Und der Gedanke faszinierte mich, von den wohlhabenden Leuten, die meine Bitten zur Unterstützung meiner Klinik ignoriert hatten, einen gewissen Zoll einzutreiben.
    Ich plante meine Unternehmungen sehr vorsichtig, brachte die Nächte im Westend zu und beobachtete die Lokale und ihre Gäste. Mein erstes Abenteuer bereitete ich besonders sorgfältig vor. Um Gregory Wicks zu überreden, erfand ich einen früheren Sträfling, der in London keinen Führerschein bekommen konnte, aber ein sehr guter und vorsichtiger Chauffeur sei. Ich mietete für ihn das Zimmer in Gregorys Haus und bereitete dem Alten dadurch eine große Freude. Keinem anderen Menschen hatte er je erlaubt, mit seinem Wagen auszufahren, denn er ist sehr stolz auf seinen Ruf als Chauffeur. Nur der Gedanke, daß jemand, der ihm äußerlich aufs Haar glich, für ihn auftrat und die alte Tradition aufrecht erhielt, sagte ihm außerordentlich zu.
    Der erste Überfall, den ich machte,
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