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0935 - Aibons klagende Felsen

0935 - Aibons klagende Felsen

Titel: 0935 - Aibons klagende Felsen
Autoren: Jason Dark
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tun hatte. Es war die Zeit für den Abstieg gekommen. Sie würde nicht hier oben bleiben, sondern hineingleiten in die andere Zone, wo die Felsen und kargen Gewächse sie umgaben, wo die Umgebung sehr rauh war, aber durchaus ihren Reiz hatte.
    Noch ging sie über das mit Gras und Flechten bewachsene Plateau. Über ihr spannte sich der Himmel wie eine blaue Leinwand, nur einmal durchbrochen von einem schimmernden Flugzeug, auf dessen Rumpf sich das letzte Licht spiegelte und reflektiert wurde, als hätte jemand Glasscherben in die Luft geworfen.
    Die Maschine hatte sicherlich einen weiten Flug hinter sich und würde bald in London landen.
    Joanna schaute zu Boden, während sie einen Fuß vor den anderen setzte. Sieh hielt sich selbst umschlungen, schleifte mit den Sohlen über die glatten Steine und wußte,, daß sie bald durch die schmale Rinne zwischen die Felsen steigen würde.
    Links von ihr lag der Wald. Sie blieb stehen und schaute zu den Bäumen hin. Die Birken würden als erste ihre Blätter verlieren. Noch aber flatterten sie im Wind und schimmerten, als wären sie lackiert worden. Die Stämme zeigten ein bleiches Weiß und erinnerten an Knochenarme.
    Joanna ging weiter.
    Der lichte Wald blieb zurück. In der Ferne sah sie einen rötlichen Teppich, denn dort blühte die Heide in all ihrer romantischen Pracht. Joanna hatte sie nicht durchwandert. Sie hatte sich nur an deren Anblick erfreut, die Umgebung, der Küste war für sie wichtiger. Die Felsen, das Wasser, die ewige Brandung der helle Schaum der Gischt, die an dem blanken Gestein in die Höhe kletterte.
    Der Weg zum Wasser hin war nicht sofort zu entdecken. Man mußte ihn schon kennen, doch Joanna wußte Bescheid. Nachdem die Kidnapper mit dem Geld verschwunden waren, hatte sie sich auf die eigentliche Entdeckungsreise begeben und war von den singenden Felsen fasziniert gewesen. Da trafen zwei Welten zusammen, sehr deutlich hatte sie es gespürt, und sie hatte es als wunderbar empfunden. Als einen Volltreffer in ihrem Leben. Nur einmal war sie in die Zivilisation zurückgekehrt. Von einer einsamen Telefonzelle aus hatte sie ihren Vater angerufen und ihm ihr neues Leben erklärt. Sie wußte, daß er sich grämen würde, aber sie dachte auch daran, daß es ihr Leben war und nicht das ihres Vaters. Sie mußte glücklich werden. Sie mußt die neuen Pfade entdecken, sie war noch jung, und das Leben, das sie bisher geführt hatte, war einfach leer gewesen, wenn sie näher darüber nachdachte.
    Leer und öde…
    Keine Feten mehr. Keine aufgesetzten Typen, die unbedingt in sein wollten. Keine dummen Gespräche über Modetrends oder über Lokale, die man einfach gesehen haben mußte. Das war alles vorbei, das wollte sie auch nicht mehr. Es widerte sie an. Diese Typen kannten nur Spaß und Action.
    Sie hatten nie gelernt, sich allein durchzuschlagen, denn hinter ihnen stand immer das Geld der Eltern. Das konnte nicht das eigentliche Leben sein.
    Joanna mußte sich konzentrieren. Manchmal führte der Pfad sehr steil abwärts. Dann stach er zwischen die Felsen hinein, wie bei einer Klamm. Manche Felsen kamen Joanna vor wie versteinerte Tiere aus der Urzeit oder wie Riesen, die einmal dieses Gebiet bevölkert hatten, jetzt aber schliefen und darauf warteten, irgendwann wieder erweckt zu werden. Ein phantasievoller Mensch konnte in die Formationen der Felsen vieles hineininterpretieren, und die junge Frau wußte auch, daß es nicht unwahrscheinlich war.
    Die Düsternis nahm zu.
    Es stand keine Sonne mehr am Himmel, die ihre Strahlen in diese kleine Schlucht schickte.
    Schatten umfingen die einsame Wanderin. Sie waren wie lange, kalte, geisterhafte Hände, die sie hineinzerren wollten in ihr Reich, um ihr dort viele Geheimnisse zu zeigen.
    An manchen Stellen war die Schlucht so lang, daß sich Joanna abstützen konnte. Es war auch gut so, denn der Weg unter ihr behielt seine leichte Nässe oder Feuchtigkeit auch den Sommer über. Es kam immer wieder vor, daß ein gewaltiger Sturm das Meer aufwühlte und die Wellen so hoch in die Luft schleuderte, daß deren Gischt wie ein sprühender Teppich in die Region der Felsen hineinwehte und dort liegenblieb, wo es schattig und kühl war.
    Auf den glatten Steinen hatten Moose und Flechten ihre Heimat gefunden.
    Manchmal kam Joanna besser voran. Da hatte die Natur aus einer Laune heraus so etwas wie eine Treppe gebildet, die sie nehmen konnte.
    Sie stieg dem Wasser entgegen, und die Geräusche der Brandung hatten sich verändert.
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