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0935 - Aibons klagende Felsen

0935 - Aibons klagende Felsen

Titel: 0935 - Aibons klagende Felsen
Autoren: Jason Dark
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beherrschend. Das Meer war überall, und das Meer faszinierte.
    Auch Joanna Westwood war in seinen Bann geraten. Die schreckliche Zeit, die hinter ihr lag und wo sie sich in der Gewalt der beiden Entführer befunden hatte, lag hinter ihr. Die beiden Maskierten hatten das Geld und waren damit verschwunden. Sie hätten Joanna sogar freigelassen, aber die junge Frau hatte nicht gewollt. Sie hatte sich in diese Gegend verliebt. Sie wollte bleiben und ein einfaches Leben führen. Sie wollte sich mit der Natur verbünden und ein Teil von ihr werden. Aber auch ein Teil der geheimnisvollen Welten und Zonen, die andere Menschen nicht sahen.
    Den beiden Kidnappern hatte sie das kaum begreiflich machen können. Erst nach langem Reden hatten sie akzeptiert und waren verschwunden. Ob für immer, das wußte Joanna nicht. Sie traute den beiden nicht. Pläne konnte man schnell umwerfen. Wer die erste Million besaß, gab sich damit oft nicht zufrieden, der wollte mehr und diesen Grundstock erweitern.
    Joanna interessierte sich nicht mehr für Geld. Gut, sie hatten ihr einige Scheine großzügigerweise dagelassen, aber hundert Pfund waren nicht die Welt.
    Joanna würde schon durchkommen, davon war sie überzeugt. Es gab ja noch die Hütte, die ihr Schutz bot. Ob die Kidnapper sie gebaut hatten oder andere Personen, das konnte sie nicht sagen, jedenfalls bot sie ihr für eine Weile Schutz. Sie stand dort, wo sich die Heidelandschaft in den Niederwald hineindrückte, immer noch hoch gelegen, nicht weit von der Küste entfernt, so daß Joanna ständig das Rauschen des Meeres und die wuchtige Brandung hörte.
    Sie stand gern an den Klippen, schaute als einsamer Mensch aufs weite Meer hinaus, ließ sich vom Wind umspielen und hatte den Eindruck, daß ihre Gedanken durch Wind und Wellen bis an die Küste der Vereinigten Staaten getragen wurden.
    Joanna erlebte dabei so etwas wie ein Kolumbus-Gefühl. Ja, sie fühlte sich als Entdeckerin. Sie hatte gewisse Veränderungen entdeckt und war sogar in andere Welten vorgestoßen. Immer nur kurze Blicke, die aber waren faszinierend gewesen und hatten Joannas Entschluß gefestigt, bleiben zu wollen.
    Eine andere Welt.
    Geheimnisvoll rätselhaft wie der Name.
    Aibon…
    Manchmal dachte sie ihn nur. Hin und wieder flüsterte sie ihn auch und ließ ihn dann auf der Zunge zergehen.
    Welch ein Name, welch ein Land! So wunderschön, irgendwie gläsern, aber trotzdem echt.
    Dieses Land faszinierte sie. Es zog sie an. Es mußte zwischen Realität und Traum liegen, geborgen in einer ungewöhnlichen Welt, in die sicherlich nur wenige Menschen eindrangen, aber ihr waren die ersten Blicke gelungen.
    Und sie wollte mehr, viel mehr.
    Wieder stand sie oben am Rand der Klippen, schaute hinaus aufs Meer und dachte daran, daß sich ein schöner Tag dem Ende entgegenneigte. Die Sonne hatte sich zurückgezogen und noch einmal verfärbt. So bauschte sie sich im Westen auf wie eine gewaltige Blutblase, die alles überschwemmte, aber bereits von der anrückenden Dämmerung bedroht wurde. Teile dieses roten Scheins legten sich auf die Wellen und packten die Wasserfläche ein wie einen roten Teppich.
    Joanna liebte diesen Augenblick. Sie fand ihn herrlich, sie fand ihn einfach wunderbar, und sie spürte in ihrem Körper ein bestimmtes Kribbeln - wie schon lange nicht mehr.
    Erklären konnte sie es nicht. Es war keine Nervosität, es war etwas anderes. In ihr baute sich eine ungemein starke Spannung auf. Das Blut zeigte sich erhitzt, es rauschte immer schneller durch die Adern.
    Joanna bewegte die blassen Lippen und sprach gegen den Wind. »Es wird etwas geschehen. Ich spüre es. Ich spüre es sehr deutlich. Die folgende Nacht wird entscheidend sein.«
    Die junge Frau riß die Arme hoch und lachte. Sie hatte ein kleines, rundes Gesicht, mit einem beinahe noch kindlichen Ausdruck. Eine Stupsnase, ein kleiner Mund, leichte Pausbacken und eine helle Haut. Ihr schulterlanges Haar war rötlichblond. Es war auch nicht glatt, sondern setzte sich aus zahlreichen Locken zusammen.
    Sie trug eine graue Hose, einen weißen und grauen Pullover, der ihr bis über die Taille reichte. Ihre Füße steckten in Turnschuhen mit dicken Sohlen. Durchaus eine Kleidung, die in diese Gegend paßte, aber Joanna wußte auch, daß sie für die andere Welt nicht unbedingt günstig war.
    Aber das würde sich noch ändern, davon war sie überzeugt. Sie schenkte dem roten Himmel noch einen letzten, beinahe abschiednehmenden Blick. Joanna wußte, was sie zu
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