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0931 - Shinigami

0931 - Shinigami

Titel: 0931 - Shinigami
Autoren: Susanne Picard
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ist selten, einen japanischen Totengeist hier zu finden«, begann der Mann - oder war es eine Frau? Auch an der Stimme konnte man das Geschlecht der seltsamen Erscheinung nicht erkennen.
    Der Shinigami winkte kurz mit einer Hand. Damit war er wieder unsichtbar für die Menschen um ihn herum geworden. Er achtete nicht darauf, dass die Business-Dame, die gerade noch geglaubt hatte, mit einem Japaner zu sprechen, sich verwirrt umdrehte und durch ihn und den neu Hinzugekommenen hindurchsah.
    Doch die schwarz gekleidete, geflügelte Gestalt vor ihm schien von diesem Kunstgriff nicht beeindruckt und wiederholte die Frage. Es… kann mich trotzdem sehen. Der Shinigami nahm sich zusammen und verneigte sich höflich, wie es Sitte war. Er war hier nicht auf eigenem Territorium. Und er war schon gar nicht auf Krieg aus.
    »Es scheint, mein… Herr, Ihr glaubt, ich sei Euch in die Quere gekommen. Ich bitte um Verzeihung, doch ich will niemanden belästigen. Ich nehme an, Ihr seid einer der hiesigen Todesboten.«
    »In der Tat«, meinte die Gestalt. »Ich bin ein Todesengel. Einer von vielen und mir scheint, unsere Funktion ist die gleiche. Aber es scheint auch, als sei die Zeit dieses Menschen dort noch nicht gekommen.« Er richtete seine seltsam blicklosen Augen auf die junge Frau und die Sanitäter. »Aber sag mir, was dich hergeführt hat.«
    Der Shinigami zögerte. Er war angewiesen worden, nicht über seinen Auftrag zu sprechen. »Ihr habt recht. Es ist nicht der Wunsch oder die Bitte dieser Seele dort, hinübergebracht zu werden. Es sei allerdings gesagt, dass es… nun, dass es sozusagen die Nähe ihres Todes war, die mich hierher rief. Ich hoffe, Ihr habt Verständnis dafür, dass ich nicht mehr darüber sagen kann.«
    Der Todesengel, der im direkten Vergleich etwa einen Kopf größer war als der Shinigami, nickte langsam. Seine Augen leuchteten pupillenlos unter den farblosen Wimpern hervor. »Wir sind keine Dämonen, die sich bekämpfen müssen. Wir bringen den Tod nicht, auch wenn wir von ihm angezogen werden; das gilt für dich wie für mich. Ich denke, es hat seinen Grund, dass du hier bist, auch wenn sie dort diesmal nicht dieser Grund ist.«
    Der Shinigami sah auf das Mädchen herab, das jetzt eine Sauerstoffmaske trug und von den beiden Sanitätern auf eine Trage gelegt worden war.
    »Ihr habt recht. Sie ist nicht der Grund.«
    »Vielleicht begegnen wir uns wieder«, sagte der Todesengel und entfaltete mit leisem Rauschen seine Flügel. »Und möglicherweise kannst du mir dann sagen, was dich nach Paris geführt hat. Ich könnte dir vielleicht helfen, vergiss das nicht.« Die Stimme des Todesengels wurde leiser und verhallte, während seine Form in der trüben Morgendämmerung verblasste.
    Der Shinigami verneigte sich vor der Stelle, an der der Todesengel verschwunden war, und wandte sich dann zum Gehen. Für die junge Frau war gesorgt, der Ruf ihres Todes, der ihn hierher gelockt hatte, war verschwunden.
    Es war gut zu wissen, dass sie überleben würde, auch wenn er jetzt mit seiner Suche von vorn beginnen musste.
    ***
    Er kam nicht weiter. Seit Wochen irdischer Zeitrechnung suchte er bereits nach diesem Dämon, den er fangen sollte.
    Es kam für ihn nicht infrage, aufzugeben. Immerhin hatte man ihm die Notwendigkeit seines Auftrages durchaus eindringlich klargemacht. Doch es schien, als habe er die Spur des Wesens, das er jagen sollte, verloren. Immer wieder glaubte er, endlich sein Ziel erreicht zu haben, aber dann fand er doch nur ganz normale Sterbliche, die dem Tod gegenüberstanden.
    Ein- oder zweimal hatte er auch seinen Kollegen, den Todesengel, wieder gesehen. Doch sie hatten kein Wort miteinander gewechselt und einander nur höflich zugenickt. Der Shinigami war sofort zurückgewichen und hatte dem Todesengel den Vortritt gelassen. Immerhin war dieses Paris sein Territorium. Der Shinigami selbst war dem eigentlichen Sinn seines Daseins nur dann nachgekommen, wenn offenbar kein anderer in der Nähe war, der sich der Seele des Opfers angenommen hatte.
    Der Shinigami dachte weiter darüber nach, wie er seine Suche eingrenzen konnte. Das Wesen, das er suchte, war nicht rein schwarzmagisch, hatte man ihm gesagt. Doch rein weißmagisch konnte es auch nicht sein, denn sonst hätte es seine Opfer ja nicht ihrer Lebenskraft beraubt. Das war die Art eines Höllenwesens, oder zumindest eines schwarzmagischen Dämons, der auf Kosten anderer lebte und ihnen Schaden zufügte.
    Aber auch, wenn es nicht eindeutig
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