Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0931 - Shinigami

0931 - Shinigami

Titel: 0931 - Shinigami
Autoren: Susanne Picard
Vom Netzwerk:
ausgeliefert. Niemand würde ihr helfen, sie konnte ja nicht einmal um Hilfe rufen. Hoffnungslosigkeit machte sich in Alphonsine breit. Sie würde sterben. Heute, gleich, jeden Moment - und dabei hatte ihre Karriere als Fotomodell doch noch nicht einmal begonnen…
    Nein! , durchfuhr es sie einen Augenblick später. Ich will nicht sterben! Ich will nicht!
    Die Sekunden, in denen Alphonsine sich gegen den Wunsch zu sterben wehrte, wurden zu Ewigkeiten.
    Doch einen Moment später - oder waren es Stunden gewesen? - schien wieder ein wenig Kraft in ihre Glieder zurückzukehren. Die dichte, beinahe greifbare Finsternis, die sie umgab, schien etwas nachzulassen. Für heute ist es genug , sagte die Stimme in ihrem Kopf. Wieso klang sie eigentlich so sanft und verständnisvoll? Ich will nicht, dass du stirbst. Aber du tust mir gut, und deshalb werde ich dich wieder besuchen , klang es in ihrem Kopf. Und dann werde ich länger bleiben können. Und ich werde dank deiner Angst und deines Willens zu überleben jedes Mal stärker werden. Das ist ein Versprechen. Worte, die nicht ihre eigenen waren. Als wieder mehr der frischen, reinen Luft in Alphonsines Lungen strömte, kehrte auch die Wut zurück. Diesmal wurde sie ihr nicht sofort abgezogen und sie schleuderte zornig ihre Handtasche in Richtung der verschwindenden Form aus purer Schwärze, die sich in die Schatten der Hofeinfahrt zurückzog.
    »Hau ab! Lass mich in Ruhe, hörst du!« Leises Lachen ertönte. Kurz wurde die Dunkelheit wieder dichter, der Ring um ihre Brust enger. Erneut spürte Alphonsine kurz, dass die Kraft sie verließ, bevor das beklemmende Panikgefühl wieder nachließ. Du kannst dich nicht wehren. Ich werde wiederkommen. Du bist eine wunderbare Nahrung, die beste bisher. Und ich werde mit jedem Mal besser werden. Alphonsine fuhr entsetzt zurück, als sie für einen winzigen Moment wieder den erbarmungslos tödlichen Griff an ihrer Kehle spürte, der ihr klarmachte, dass sie es der Gnade dieses unbekannten Wesens zu verdanken hatte, dass sie dieses Mal mit dem Leben davonkam. Doch die Berührung wurde beinahe sofort zu einem fast zärtlichen Streicheln und verschwand dann ganz.
    Alphonsine blinzelte. Es wurde langsam hell, über den Häusern von Montparnasse in Paris dämmerte der Morgen.
    Sie rannte los. Doch weit kam sie nicht.
    Kaum war sie einige Schritte gelaufen, brach sie bewusstlos auf dem grauen Straßenpflaster zusammen.
    ***
    Irgendwo hier hatte er es doch gespürt!
    Ein magisches Wesen war hier gewesen - nein, falsch. Nicht nur eines, gleich zwei. Eines hatte nur sehr schwache Magie besessen, zu wenig eigentlich, um darauf aufmerksam zu werden. Doch das war auch gar nicht sein Ziel gewesen. Es war die andere Macht gewesen, die ihn angelockt hatte. Es war nicht klar zu erkennen, ob es sich bei dieser anderen Macht um eine schwarzblütigen Ursprungs handelte, doch das war auch nicht ausschlaggebend.
    Hatte er sich getäuscht?
    Der Geist, der in seiner japanischen Heimat Shinigami genannt wurde, verwarf den Gedanken wieder. Nein, er konnte nicht irren. Man hatte ihn auf die Spur dieses Wesens gesetzt, er musste es suchen und zu seinem Herrn bringen. Und hier war dieses Wesen am Werk gewesen, das spürte der Shinigami mit jeder Faser.
    Es war bekannt, dass sich das gesuchte Geschöpf an der Lebenskraft von Menschen labte, bevorzugt wohl von magischen Menschen. Warum das so war, hatte der Shinigami nicht gefragt - er war geeignet, den Tod zu finden, wenn er zu den Menschen kam. Und so war er auch prädestiniert dafür, dieses Wesen aufzuspüren: anhand der Menschen, die es an die Grenze des Todes - oder gar darüber hinaus - gebracht hatte. Doch den Auftrag hatte er bei seiner Annahme nicht hinterfragt und das tat er auch jetzt nicht. Dennoch war es in dieser Stadt, in diesem Land, die ihm fremd waren, nicht leicht für ihn, seinem Auftrag nachzukommen. Es kam nur darauf an, dieses seltsame Wesen zu finden und dann in seine Heimat zu locken.
    Auf einmal wurde er auf einen Menschenauflauf ein paar Häuser weiter aufmerksam. Es schien, als sei dort etwas passiert. Der Geist, den man Shinigami rief, bewegte sich auf die Gruppe von Menschen zu. Etwa 50 Meter von ihr entfernt blieb er stehen und beobachtete die Lage. Sie war unübersichtlich. Wie es aussah, hatte sich eine Menschentraube gebildet, die um etwas - oder jemanden? - herumstand und aufgeregt miteinander sprach. Handelte es sich um das Opfer? Ich habe gespürt, wie der, den ich gesucht habe,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher