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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht
Autoren: Elizabeth George
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wie ein Turm den Hort der übrigen Vorräte: Pappkartons und Styroporbehälter mit den Resten von Mahlzeiten aus dem Imbiß und Fertiggerichten. Barbara packte die Flasche und ging mit ihr zur Spüle. Sie kippte fünf kräftige Züge hinunter, dann beugte sie sich über das Becken und goß sich die Hälfte des restlichen Wassers über Kopf und Nacken. Der plötzliche Strahl eiskalten Wassers auf ihrer Haut trieb ihr fast die Augen aus dem Kopf. Es war eine Wohltat.
    »Himmlisch«, prustete Barbara. »Ich habe Gott entdeckt.«
    »Duschst du gerade?« erklang hinter ihr eine Kinderstimme. »Soll ich später wiederkommen?«
    Barbara drehte sich zur Tür um. Sie hatte sie offengelassen, aber sie hatte nicht erwartet, daß Besucher das als Einladung auffassen könnten. Seit ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus in Wiltshire, in dem sie mehrere Tage zugebracht hatte, hatte sie ihre Nachbarn gemieden. Um die Möglichkeiten einer Zufallsbegegnung zu begrenzen, hatte sie ihr Kommen und Gehen auf Zeiten beschränkt, zu denen die Bewohner des großen Haupthauses ihres Wissens nicht da waren.
    Aber nun war sie doch ertappt worden. Das kleine Mädchen kam hüpfend einen Schritt näher und riß die blanken braunen Augen auf. »Was hast du denn mit deinem Gesicht angestellt, Barbara? Hast du einen Zusammenstoß mit dem Auto gehabt? Es schaut ganz furchtbar aus.«
    »Danke, Hadiyyah.«
    »Tut es weh? Was ist passiert? Wo bist du gewesen? Ich hab' mir solche Sorgen gemacht. Ich hab' sogar zweimal angerufen. Heute. Schau! Dein Anrufbeantworter blinkt. Soll ich es dir vorspielen? Ich weiß, wie das geht. Du hast es mir gezeigt, weißt du noch?«
    Hadiyyah hüpfte vergnügt durch das Zimmer und ließ sich auf Barbaras Bettcouch fallen. Der Anrufbeantworter stand auf einem Bord neben dem kleinen offenen Kamin.
    Selbstsicher drückte das Mädchen einen der Knöpfe an dem Gerät und strahlte Barbara an, als ihre eigene Stimme hörbar wurde.
    »Hallo«, schallte es aus dem Anrufbeantworter. »Hier ist Khalidah Hadiyyah. Deine Nachbarin. Aus dem Vorderhaus im Parterre.«
    »Dad hat gesagt, ich muß immer genau sagen, wer ich bin, wenn ich jemanden anrufe«, erklärte Hadiyyah. »Er hat gesagt, das wär' nur höflich.«
    »Ja, es ist nützlich«, stimmte Barbara zu. »Dann gibt's am anderen Ende der Leitung keine Verwechslung.« Sie griff nach einem Geschirrtuch, das an einem Haken hing, und trocknete sich damit das kurzgeschnittene Haar und den Nacken.
    »Es ist furchtbar, nicht?« schwatzte die Stimme im Anrufbeantworter weiter. »Wo bist du? Ich ruf an, weil ich dich fragen wollte, ob du mit mir ein Eis essen gehst. Ich hab' Geld gespart. Es reicht für zwei, und Dad hat gesagt, ich darf einladen, wen ich will. Also lade ich dich ein. Ruf mich bald zurück. Aber keine Angst, ich lade inzwischen bestimmt niemand anders ein. Tschüs.« Nach einer kurzen Pause, einem Piepton und einer Zeitangabe folgte die nächste Nachricht. »Hallo. Hier ist noch mal Khalidah Hadiyyah. Deine Nachbarin. Aus dem Vorderhaus im Parterre. Ich will immer noch ein Eis essen gehen. Hast du Lust? Ruf mich doch bitte an. Wenn du kannst, meine ich. Ich lade dich ein. Ich hab' Geld genug. Ich hab's gespart.«
    »Hast du gewußt, wer es ist?« fragte Hadiyyah. »Habe ich genug gesagt? Ich hab' nicht genau gewußt, was ich alles sagen muß, damit du gleich Bescheid weißt, aber ich fand, es wäre genug.«
    »Es war total in Ordnung«, versicherte Barbara. »Besonders nett war's, daß du mir gesagt hast, daß du im Erdgeschoß wohnst. Da weiß ich doch gleich, wo ich deine Kohle finde, wenn ich welche klauen muß, um mir ein paar Kippen zu kaufen.«
    Hadiyyah kicherte. »Das würdest du doch nie tun, Barbara!«
    »Da kennst du mich aber schlecht, Schatz«, entgegnete Barbara. Sie ging zum Tisch und kramte eine Packung Players aus ihrer Tasche. Sie zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Ein kleiner Schmerzstich durchzuckte ihre Lunge, und sie verzog einen Moment das Gesicht.
    »Das tut dir überhaupt nicht gut«, stellte Hadiyyah fest.
    »Das sagst du mir dauernd.« Barbara legte die Zigarette auf den Rand eines Aschenbechers, in dem bereits acht Stummel lagen.
    »Ich muß mir unbedingt was anderes anziehen, Hadiyyah, wenn du nichts dagegen hast. Ich vergehe vor Hitze.«
    Hadiyyah verstand den Wink offensichtlich nicht. Sie nickte nur und sagte: »Ja, das kann ich mir vorstellen. Dein Gesicht ist schon ganz rot.« Dann machte sie es sich auf der Bettcouch
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