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0894 - Seelenbrand

0894 - Seelenbrand

Titel: 0894 - Seelenbrand
Autoren: Adrian Doyle
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sie eigentlich abzugeben versuchte.
    Aber noch während er zusehen konnte, wie sich das seildünn gewordene Metall mit Raureif überzog, alarmierte ihn ein sirrendes Geräusch, das von dort kam, wo der Rest des Geflechts bislang noch geruht hatte. Nun veränderte auch dies sich, und aus der groben Struktur wurde etwas netzartig Filigranes, das von einer unsichtbaren Kraft plötzlich hochgehoben und… gegen Zamorra geschleudert wurde.
    Sinn und Absicht waren unverkennbar: Das metallische Gespinst sollte sich um Zamorra schließen, ihn einfangen und… ja, sich dann wahrscheinlich zusammenziehen, immer enger, bis es ihn zerschnitt, erstickte oder zerquetschte.
    Er wollte nicht erfahren, für welche Todesart sich die Macht, die das Geflecht manipulierte, letztlich entschied.
    Rasch brachte er seine eigene Absicht zuende, brachte das Amulett nach unten und presste die glutende Stelle gegen den weltraumkalten Stahl, der seine Kälte nicht mehr abzugeben vermochte, sich aber weiterhin als Fessel um Zamorras Knöchel legte… und den Rest seiner Masse wie ein Magnet anzuziehen schien.
    Das Knäuel kam geflogen.
    Keine Sekunde mehr, dann…
    Via Gedankenbefehl strahlte Zamorra alle aufgestaute Wärmeenergie des Amuletts mit einem Impuls ins Innere des Metalls, das im nächsten Moment mit einem ohrenbetäubenden Klang zersprang. Seine einzelnen Splitter rasten wie Schrapnelle durch den Raum, zerfetzten die Glasrezeption, sprengten faustgroße Löcher in den Putz der Wände oder richteten anderweitig Unheil an.
    Auch in Zamorras Richtung prasselten Metallsplitter. Der vorher aufgebaute Schild aus Amulettenergie lenkte den tödlichen Hagel jedoch ab, und im nächsten Augenblick war die Gefahr gebannt.
    Diese Gefahr zumindest.
    Zamorra widmete den Verwüstungen kaum einen Blick. Der Vorfall hatte ihn nur darin bestärkt, Tempo aufzunehmen und so schnell wie möglich in den Ostflügel zu gelangen. Die negative Kraft, die jeden Stein des Tate Britain zu durchdringen schien, hatte ihm ein unübersehbares Zeichen gesandt, dass sie von seiner Wiederkehr Kenntnis genommen hatte - und ihn von nun an gnadenlos jagen würde.
    Und wenn schon ein Stück bemaltes Eisen so viel mörderischen Ehrgeiz entwickeln konnte wie gerade erlebt, war abzusehen, dass die nächsten Attacken noch sehr viel gewalttätiger ausfallen würden.
    Er machte sich auf das Schlimmste gefasst.
    Doch das Böse war erfindungsreich. Es überraschte ihn mit einem Sturm, der all seine Sinne gleichzeitig angriff… und die Grenzen zwischen Realität und Schein zerfließen ließ.
    Die beiden Räume des Shops, in dem man Kunstdrucke von im Tate ausgestellten Gemälden erwerben konnte, ließ er noch rasch und unbehelligt hinter sich. Aber bereits im ersten Saal mit Exponaten erwartete ihn eine Situation, die ihm alles abverlangte.
    Es war, als betrete er nicht nur einen Saal, sondern eine ganze Landschaft. Eine in Sonnenuntergangsrot getauchte englische Kleinstadt, in deren Straße sich Zamorra unversehens wiederfand. Alles war verfremdet, verzerrt, aber er erkannte die typische Bauart der Häuser und Umzäunungen, und um ihn herum bewegten sich plötzlich Gestalten in Arbeiterkleidung, Schirmmützen tief in die Stirn gezogen, die Münder griesgrämig und grimmig verzogen.
    »He!«, rief ein Hüne, der ihm am nächsten stand, in walisischem Slang. »He, Schnösel, hast dich wohl verlaufen?!«
    Sofort wandten sich alle Gesichter Zamorra zu. Gesichter, die bestenfalls wie grob skizziert wirkten, ebenso wie der Rest der Körper, der Kleidung, der Umgebung.
    Er begriff, wohin er geraten war. In den Einf luss eines oder mehrerer Bilder, die in diesem Raum hingen.
    Welcher Raum? Der Saal ist verschwunden. Du bewegst dich durch eine labile Zone, die magisch aufrecht erhalten wird. Ein falscher Schritt, eine unbedachte Handlung und du läufst Gefahr, mit dieser Illusion zu verschmelzen. Wenn sie dann erlischt, wirst du mit ihr in die Nichtexistenz gerissen! - Nettes Szenario, oder?
    Aber nicht nach meinem Geschmack!, kanzelte Zamorra die kritische Stimme seines Unterbewusstseins ab. Dennoch beachtete er die Warnung, die ihm seine Erfahrung und schnelle Auffassungsgabe vermittelt hatte; beides waren Aspekte, die ihm in mehr als einer Situation das Leben gerettet hatten.
    Aus dieser Überzeugung resultierte seine Absicht, die »Anmache« der Figur zu ignorieren, die jetzt entschlossen zu ihm trat. Sie bewegte sich wie in einem beschleunigten Zeitablauf und zog bei der schnellen
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