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0886 - Der U-Bahn-Schreck

0886 - Der U-Bahn-Schreck

Titel: 0886 - Der U-Bahn-Schreck
Autoren: Jason Dark
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verändert, und als sie ihn jetzt ansprach, da hatte sie ins Schwarze getroffen.
    »Du hast Angst, wie?«
    »Nein, ja…«
    Die Frau lächelte. »Das brauchst du eigentlich nicht zu haben, aber ich rate dir doch zu einer gewissen Vorsicht. Die Zukunft ist nicht unbedingt positiv.«
    Gordon Polvera wollte diesen Bann brechen. Auf seinem Rücken spürte er die Kälte, in den Achselhöhlen bildete der Schweiß zwei Feuchtbiotope. Er zwinkerte mit den Augen, bewegte die Lippen, konnte aber kaum etwas sagen.
    »Du bist uns nichts schuldig«, sagte die Alte. Sie griff wieder nach ihrem Instrument, zog es an den Lippen entlang und stimmte sich auf eine klagende und traurige Melodie ein, deren Klänge durch die Station trieben und irgendwann verwehten.
    »Danke«, sagte Polvera. Er drehte sich um.
    Erst ging er langsam, dann hastiger, fand eine leere Bank und nahm Platz. Kaum saß er, da hörte er das Signal seines Funkgerätes. Er meldete sich hastig.
    »Himmel, du bist ja doch da!« hörte er die Stimme aus der Zentrale.
    »Warum sollte ich nicht da sein?«
    »Weil wir es schon zweimal versucht haben.«
    Polvera wischte über seine Stirn und fuhr mit dem Finger auch die linke Wange entlang. »Muß ich wohl überhört haben, tut mir leid.«
    »Ja, schon gut. Ist bei dir alles in Ordnung, Gordon?«
    Er log bei seiner Antwort, denn für ihn persönlich war nicht alles in Ordnung, dienstlich schon, und das sagte er auch.
    »Dann ist ja alles klar.«
    »Wieso? Sollte denn etwas nicht in Ordnung sein?«
    »Davon kann keine Rede sein. Heute sind bereits mehrere Diebstähle gemeldet worden. Halte bitte die Augen offen.«
    »Werde ich machen.«
    »Wir schicken zur Hauptverkehrszeit noch Hundestreifen.«
    »Das ist okay.«
    Er war froh, das Gespräch beenden zu können. Sein Herz schlug schneller als gewöhnlich, und seine Hand zitterte, als er das Gerät an den Gürtel hakte. Er sagte sich, daß er sich selbst verrückt machte, wenn er den Worten der Wahrsagerin zuviel Gewicht schenkte, doch vergessen konnte er sie nicht.
    Sie waren da, sie irrten durch seinen Schädel, mal stärker, mal schwächer, und Polvera war froh, auf einer Bank zu sitzen, denn seine Knie zitterten.
    Sein Mund war trocken. Er wollte sich irgendwo am Automaten ein Wasser ziehen, doch er mußte sich auch zusammenreißen, denn der Dienst hatte Vorrang.
    Warum denke ich immer an die Tote?
    Er gab sich die Antwort selbst. Es waren die Sätze der Wahrsagerin, die ihn so aufwühlten. Sie hatte von einer Toten gesprochen, die nicht tot war, aber das alles sollte ihn nicht mehr stören. Diese Gedanken machten ihn nur unnötig nervös.
    Polvera war so mit sich selbst beschäftigt gewesen, daß er die Person neben sich erst wahrnahm, als diese sich auf die Bank setzte. Sie hatte auch nicht gefragt, sie ließ sich einfach nieder, ungefähr einen halben Yard neben ihm.
    Er schaute sie kurz an. Es war eine Frau!
    Dunkle Haare mit helleren Strähnen, eine leicht nach oben gebogene Nase, eine Kette um den Hals und…
    Die Frau drehte den Kopf!
    Gordon Polvera glaubte, irre zu werden. Denn die Person die sich neben ihn gesetzt hatte, war die Tote aus dem Stollen…
    ***
    Er wollte losschreien, doch er blieb sitzen, als hätte man ihm befohlen, den Platz auf keinen Fall zu verlassen, mochte auch die ganze Welt untergehen.
    Die Tote aus dem Tunnel!
    Es stimmte, er irrte sich nicht. Sie war es. Er hatte sie gesehen, als sie auf den Schienen stand.
    Zwar nur für eine kurze Zeitspanne, aber dieser Anblick hatte sich bei ihm eingeprägt. Er hatte gewußt, daß er das Gesicht niemals würde vergessen können, und nun saß die Frau, die Tote, zum Greifen nahe neben ihm.
    Sie war wieder aus ihrer Welt zurückgekehrt. Wie eine lebende Leiche, ein Zombie.
    Er hörte sich stöhnen. Sprechen konnte er noch immer nicht. Auch die Frau sagte nichts, sie starrte ihn nur an. Ihm fiel auf, daß sie noch immer denselben Mantel trug, der auch vorn nicht geschlossen war. Auf der Haut zeichnete sich der Stoff eines tief ausgeschnittenen Kleides ab, dessen Farbe ins Rötliche ging. Der Mann konnte seinen Blick nicht von diesem Ausschnitt fortreißen, wobei es ihm nicht um die Ansätze der Brüste ging, die sich hervorhoben, nein, er sah etwas ganz anderes, mit dem er nicht zurechtkam.
    Es war die Haut.
    Komischerweise sah sie anders aus als das Gesicht. Es wirkte so leichenhaft blaß, als wäre es zusätzlich noch mit einer dünnen Ascheschicht bestreut worden. Die Augen waren weit geöffnet und
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