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0886 - Der U-Bahn-Schreck

0886 - Der U-Bahn-Schreck

Titel: 0886 - Der U-Bahn-Schreck
Autoren: Jason Dark
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gaben den Blick auf zwei dunkle Pupillen frei.
    Leblose Augen. Augen einer Toten…
    Aber konnten sich Tote wie normale Menschen bewegen? Er dachte an die Worte der Zigeunerin, die ja indirekt davon gesprochen hatte. Er aber hatte es nicht wahrhaben und fassen wollen, es war ihm alles viel zu hoch und viel zu weit weg gewesen.
    Aber jetzt…
    Seine Augen bewegten sich. Er blickte tiefer. Der Hals der Frau. Eine glatte Haut, die Kette, aber darunter sah er den Strich. Rötlich schimmernd, als wäre er mit einem Farbstift gezeichnet worden. Ein Strich, der gezeichnet war wie ein Reißverschluß, und es blieb nicht nur bei diesem einen Strich. Polvera entdeckte noch mehrere. Sie schauten mit ihren Enden an der Schulter hervor und zogen sich unter dem Hals entlang in Richtung Brust.
    Überall sah er das gleiche gezeichnete Muster.
    Einen Reißverschluß. Oder doch nicht?
    Er traute sich nicht, die Haut der Frau zu berühren, aber er beobachtete sie sehr genau und stellte sehr bald fest, daß diese Striche nicht auf die Haut gezeichnet worden waren, sondern etwas überstanden. Es waren keine Striche, sondern Nähstellen, hergestellt durch Nadel und Fäden.
    Plötzlich formten sich in seinem Kopf die Einzelteile des Puzzles zusammen. Er konnte logisch denken, und kam auch zu einem Resultat.
    Diese Person vor ihm war tot. Sie lebte trotzdem, was wiederum einen Grund haben mußte.
    Polvera hatte ihn herausgefunden. Jemand hatte sie zu einem neuen Menschen zusammengenäht, nachdem der Körper von dem Zug überrollt worden war. Nur so konnte die Lösung lauten, denn darauf wiesen auch die unterschiedlich langen und breiten Nähte hin.
    Ein ehemals lebender Mensch, der gestorben, aber auf eine schreckliche und unvorstellbare Art und Weise wieder zusammengenäht worden war.
    Aber sie lebte. Sie existierte. Sie konnte sich bewegen. Sie lief wie ein normaler Mensch, sie konnte sich auch setzen, aber sie hatte bisher noch kein Wort gesprochen.
    War ihr das nicht möglich? Er saugte die Luft durch die Nase. Seine Augen tränten plötzlich. Er hörte, wie er mit sich selbst sprach, nur war er nicht in der Lage, seine eigenen Worte zu verstehen.
    Plötzlich berührte die »Tote« mit der linken Hand die Wunde über dem Schlüsselbein.
    Es war Zeit genug, um die Flucht zu ergreifen, doch das tat Gordon Polvera nicht.
    Starr blieb er sitzen und beobachtete, wie sie mit einer langsamen Bewegung die frisch vernähte Wunde aufzupfte, als wollte sie Gordon zeigen, was sich darunter befand.
    Eine stinkende Flüssigkeit bildete Tropfen an den Seiten. Sie war gelb und schimmerte zugleich in einem rötlichen Farbton. Sie rann wie zäher Leim an ihrem Körper entlang und verschwand im Ausschnitt des Kleides.
    Dann klappt sie das Stück Haut zurück.
    Polvera konnte in die Wunde schauen.
    Graues Gewebe sah er. Muskelfleisch, das so aussah, als hätte es zu lange in der Sonne gelegen und wäre nun dabei, allmählich zu vergammeln und schlecht zu werden. Maden quollen hervor.
    Gordon Polvera öffnete den Mund. Nein, auch jetzt schrie er nicht, er röchelte nur. Die Augen wollten ihm aus den Höhlen quellen. Speichel rann aus seinen Mundwinkeln. Er ekelte sich, und es schüttele ihn regelrecht durch.
    Die »Tote« aber grinste ihn auf eine widerliche Art und Weise an. Perfide und ekelhaft, zudem öffnete sie noch den Mund und zeigte ihre graue Zunge.
    In ihr verweste es, in ihr begann das Fleisch zu verfaulen, und trotzdem lebte sie noch.
    Zusammengenäht von einer Person, die sich ihrer angenommen hatte.
    Unglaublich und unbegreiflich, zum Verzweifeln und zum Wegrennen.
    Das letzte Wort klang in seinem Kopf nach wie ein Startschuß und sorgte dafür, daß Polvera aus seiner spitzen Haltung heraus in die Höhe schoß und wegrannte.
    Erst jetzt schrie er. Aber auch nicht laut. Es glich mehr einem Stöhnen und Röcheln, denn das Entsetzen über diese schreckliche Begegnung hatte ihn beinahe stumm werden lassen…
    ***
    Die Sonne schien. Und das im November. Die meisten Menschen verstanden die Welt nicht mehr, und dazu gehörten auch Suko und ich. Der große Nebel war vorbei, und die Strahlen der Sonne hatte das Schmuddelwetter der letzten Tage vergessen lassen.
    Trotzdem war ich mit dem Wetter nicht zufrieden, denn zweistellige Temperaturen im zweitletzten Monat des Jahres, dazu noch an seinem Ende, waren nicht nur ungewöhnlich, auch ungesund. Deshalb liefen viele Menschen mit einer Erkältung herum, wie auch Glenda Perkins, unsere Sekretärin, die
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