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0886 - Der U-Bahn-Schreck

0886 - Der U-Bahn-Schreck

Titel: 0886 - Der U-Bahn-Schreck
Autoren: Jason Dark
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Schritt. Dem großen Ziel entgegen, nicht dem düsteren Grauen, sondern dem neuen Leben. Da konnte sie sich voll und ganz auf IHN verlassen.
    ER war einfach wunderbar. ER war herrlich. ER war ihr Prinz, ER war ihr Angebeteter, ER war ihre Hoffnung, denn wenn sie daran dachte, woher sie eigentlich kam, dann… dann …
    Die Gedanken brachen ab. Nicht weil sie es gewollt hätte, es gab einen anderen Grund. Unter den Sohlen ihrer Turnschuhe spürte sie das leichte Vibrieren. Der Zug kam!
    Lucy Travers blieb stehen. Wäre es hell gewesen und hätte sie dabei in einen Spiegel geschaut, so hätte sie durchaus die Veränderung in ihrem Gesicht erkennen können. Ein Lächeln der Vorfreude lag in ihren Augen, denn sie wußte, daß es nicht mal eine Minute dauern würde, bis es soweit war. Der Zug würde bestimmt nicht stoppen, nein, er würde sie packen…
    Die Vibrationen verstärkten sich.
    Er kam schon näher.
    Lucys Blick bohrte sich in die Schwärze, die sie umgab. Sie suchte diesen kalten, hellen Schein, der durch die Dunkelheit raste, auf sie zukommen und sie erfassen würde.
    Es waren zwei helle Augen!
    Urplötzlich erschienen sie in der Finsternis des Tunnels, als hätte sie jemand mit einem Pinsel in die Dunkelheit hineingemalt. Sie bewegten sich, und Lucy verengte die Augen, so daß ihr die beiden Lichter vorkamen wie eines.
    Sehr gut, wunderbar…
    Sie sprach die Worte nicht aus, sondern nahm sie als einen inneren Jubel hin.
    Die Schiene bewegte sich.
    Oder war sie es, die sich bewegte?
    Lucy war es egal. Sie führte die Hände zusammen, bis sich die Handflächen berührten, dann hob sie die Arme langsam in die Höhe, ohne die Hände voneinander zu lassen, und sie stand dort, als wollte sie eine Pyramide bilden.
    So erwartete sie den Zug!
    Das Vibrieren unter den Füßen verstärkte sich. Die Innenwände des Tunnels schienen zu stöhnen und zu schreien. Sie gaben Geräusche von sich, die Lucy nie in ihrem Leben gehört hatte. Ein Zischen, Keuchen, dazwischen ein hartes Rattern, und plötzlich war das Licht da.
    Lucy Travers schrie auf!
    Nicht vor Angst, sondern aus reiner Freude, denn dieses Licht bedeutete für sie das Neue!
    ER hatte recht!
    Ein Koloß raste auf sie zu. Schwerer Stahl, der die Luft vor sich herschob und Geräusche hinterließ, die sich von den ersten unterschieden. Nichts konnte diesen Zug stoppen. Er war vollgepumpt mit all dem Grauen, wie es andere Menschen empfinden würden, nicht aber Lucy, sie warf sich gern dem Tod entgegen.
    Wie eine Mücke, die gegen die Scheibe eines schnell fahrenden Autos prallte, so klatschte sie gegen die IT-Bahn. Lucy wollte Sekundenbruchteile vorher noch vor Freude schreien und dachte daran, daß sie alles richtig gemacht hatte, doch da raste der Zug bereits über sie hinweg.
    Lucy spürte nichts mehr.
    Sie war selig, und sie war tot…
    ***
    Gordon Polvera kannte die Strecke auswendig. Er fuhr häufig nachts, da war nicht so viel los. Er konnte es sich im Führerstand fast gemütlich machen. Auf langen Geraden trank er mal einen Schluck Kaffee oder aß kleine gefüllte Pfannkuchen, die ihm seine Frau immer mitgab. Sie waren mit einer Fleischfüllung versehen, deren Zusammensetzung nur sie kannte. Das Rezept hatte sie von Gordon Polveras Mutter bekommen. Als Erbin gewissermaßen, denn drei Tage danach war sie gestorben. Als hätte sie es genau gewußt. Immer wieder mußte Gordon an sie denken, wenn er in die flachen Pfannkuchen hineinbiß und sich jedesmal am Geschmack der Füllung erfreute.
    Es gab für ihn keinen Grund, daß diese Nacht anders verlaufen sollte als die anderen davor. Die Bahn war nicht nur das umweltfreundlichste, sondern auch das sicherste Verkehrsmittel. Doch was dann geschah, würde er nie mehr vergessen.
    Noch war alles normal, und der Wagen fuhr auch mit normaler Geschwindigkeit durch die Röhre. Nichts deutete auf eine Veränderung hin. Polvera kaute am letzten Bissen des Pfannkuchens, als plötzlich die schmale Gestalt im Licht der Lampe erschien. Eine Frau auf den Schienen! Diese fünf Worte schrillten wie ein Alarmsignal durch seinen Kopf. Sie sägten in sein Hirn. Die nächtliche Routine riß.
    Er hatte noch gesehen, daß sich die Frau nach vorn beugte. Er glaubte auch einen Ruck zu spüren, und er hörte sich schreien. Die Scheibe und das Licht vor ihm gerieten in einen zuckenden Tanz. Polvera sah bereits das Ende des Tunnels, und ihm kam in den Sinn, daß er bremsen mußte. Er kannte die Verhaltensregeln, er hätte auch schon eine
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