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0885 - Die Kralle des Jaguars

0885 - Die Kralle des Jaguars

Titel: 0885 - Die Kralle des Jaguars
Autoren: Simon Borner
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Jetzt war es wichtiger, diese Priesterin zu besiegen.
    Der Professor ergriff das Amulett und bediente sich seiner magischen Kraft. Binnen weniger Sekunden hatte er die Hieroglyphen auf seiner Oberfläche verschoben. Er stand auf und eilte zu Elian, vorbei an den wenigen verbliebenen Geistwesen, die ihn mit schwachen, kaum körperlichen Armen am Weitergehen hindern wollten. Es waren hoffnungslose Bemühungen, sie verlangsamten nicht einmal seinen Schritt.
    Noch immer stand Elian mit erhobenem Speer vor Morgana Fatima. Sie wehrte sich nicht, und als Zamorra herangetreten war, erkannte er auch den Grund dafür. Elian hielt sie fest, nutzte magische Kräfte und von der Welt vergessene Zauberformeln, um die Wiedergängerin auf dem Fleck zu bannen, auf dem sie stand. Morgana schien jetzt regungslos wie eine Statue zu sein, aber der Franzose sah, dass es in ihren Augen nahezu kochte. Sie hatte verloren, und doch weigerte sie sich offenbar, die Niederlage anzuerkennen, sie zu begreifen. Zamorra trat neben den Mexikaner, hielt das Amulett am ausgestreckten Arm vor sich und ließ die Macht seines Anhängers mit der weißen Magie des Elian Rodrigo verschmelzen.
    ***
    Danach war alles still. Als die Blitze geendet, die Energieströme versiegt waren, kehrte eine Ruhe in den Thronsaal des Buluk Chaptan ein, die fast noch unheimlicher war als die Hektik der vergangenen Minuten. Zamorra und Elian Rodrigo standen mitten im Raum, die magischen Waffen noch in den Händen, und ihr Atem ging schwer. Es war ein harter Kampf gewesen; eine magische Schlacht, die ihre Energien und Fähigkeiten bis ins Letzte gefordert hatte, die ihnen Konzentration abverlangt und ihren vollen Einsatz erwartet und bekommen hatte. Nur mühsam fanden die beiden den Weg zurück in die Wirklichkeit.
    Was sie sahen, war ein Anblick, der surrealer nicht hätte sein können. Sie waren allein im Raum, abgesehen von der noch immer gefesselten Nicole und Morgana Fatima. Die Geistwesen, selbst die beiden Hünen waren verschwunden, verschluckt von der Macht der weißen Magie der Akademiker. Und vor ihnen auf dem Boden lag Mama Morgana. Zumindest vermutete Zamorra, dass es sich um sie handelte. Denn ihr Aussehen, ihre Erscheinungsform hatte sich furchtbar verändert. Es war, als sei ein Bann gebrochen, als habe ihr gemeinsamer Zauber eine Barriere durchstoßen, welche Morgana vor Jahrhunderten aufgebaut hatte, um der Zeit ihre Macht zu nehmen. Generation für Generation hatte die Wiedergängerin durchlebt, ohne einen Tag zu altern, ohne Gedanken an Tod und Sterblichkeit verschwenden zu müssen. Und nun nahm sich die Zeit zurück, was Morgana Fatima ihr so lange vorenthalten hatte.
    Es dauerte nur Sekunden, dann war alles vorbei. Wie im Zeitraffer alterte die Mestizin vor ihren Augen. Ihr einstmals zeitloses Gesicht verwandelte sich in eine von Falten durchzogene Kraterlandschaft. Die gesunden Wangen verloren ihre Farbe, der starke, weiblich gerundete Körper fiel immer mehr in sich zusammen, bis Morgana kaum noch mehr war, als ein Haufen von ledriger Haut ummantelter Knochen. Die Alte reagierte in keiner Weise darauf, ließ es mit einer Teilnahmslosigkeit geschehen, als habe sie bereits mit ihrem unheiligen Leben abgeschlossen und keinerlei Interesse mehr an jeder Form der Gegenwehr. Selbst als sie sich krümmte, zu Boden fiel und unter Zuckungen ihre letzten, gequälten Atemzüge tat, machte sie keinen Laut, schaute sie niemanden an. Morgana Fatima ging ihre letzte Reise allein. Was von ihr übrig blieb, war nicht viel mehr als eine schlechte Erinnerung. Ein böser Traum.
    »Ich glaube, das war's«, stieß Elian Rodrigo keuchend hervor und verfiel in leises, ungläubiges Gelächter. Große Anspannung schien von ihm abzufallen, und mit einer beiläufigen Handbewegung zog er sich den schweren rituellen Kopfschmuck vom Haupt. Zamorra sah ihn an und merkte plötzlich, wie stark dem jungen Mexikaner der Schweiß auf der Stirn stand. Vermutlich sah er selbst kaum anders aus. »Wo kommen Sie eigentlich her?« fragte der Franzose, als er endlich wieder zu Atem gekommen war. »Aus Mexiko«, antwortete Rodrigo schlicht. »Ich hatte Ihnen doch versprochen, zurückzukehren und Sie zu unterstützen. Wie es scheint, kam ich keine Sekunde zu früh.«
    »Und diese… diese…« Zamorra blickte den Mann von Kopf bis Fuß an, seine besondere Kleidung, sein Maya-Erscheinungsbild. Ihm fehlten die Worte, also kapitulierte er. »Dieses alles?«
    »Sie wissen vermutlich, dass ich als
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