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0885 - Die Kralle des Jaguars

0885 - Die Kralle des Jaguars

Titel: 0885 - Die Kralle des Jaguars
Autoren: Simon Borner
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bitter - tummelten, die keinen Sitzplatz mehr bekommen hatten.
    Shore sah sich vergebens nach dem Hausmeister um. Wie es schien, hatte der Meister der hauseigenen Elektronik längst das Handtuch geworfen und den Saal verlassen. Wahrscheinlich war jjetzt hier in Ciudad Mexico Siesta oder so etwas, kein Wunder bei dieser Hitze. Denny konnte es ihm nicht verdenken. An seiner Stelle - ach was: an meiner Stelle - wäre ich auch schon gegangen.
    Plötzlich fiel dem Amerikaner ein Gesicht auf, das er kannte. Ganz dort hinten, zwischen den Stehenden, die keinen Sitzplatz bekommen hatten. Weißer Anzug, kurzes, dunkelblondes Haar… sollte das etwa… doch, das war Professor Zamorra, der französische Parapsychologe von der Sorbonne, kein Zweifel. Der vielleicht wichtigste Teilnehmer dieser Tagung war hier, wohnte seinem Vortrag bei! Und während Denny begriff, dass er sich gerade vor dem Mann zum Affen gemacht hatte, wegen dem er überhaupt nach Mexico City gekommen war, sah er, wie sich Zamorra von seinem Stehplatz wegbewegte und zum Ausgang schritt.
    Wenn sein Blick Shore nicht trog, schüttelte der französische Wissenschaftler sogar den Kopf, als er aus dem Hörsaal trat. So, als könne er die Unprofessionalität, mit der Shore hier die Zuhörer langweilte, nicht glauben…
    ***
    Die junge Mexikanerin war einfach zu hübsch. Das war ihm bereits während der Vorlesung aufgefallen. Bunte, jugendliche Kleidung, das lebendige Gesicht… nein, die junge Frau passte so gar nicht in die Reihen der üblichen Hörer dieser Tagung. Wenn man sonst nur auf Tweedjacketts und Hornbrillen, graue Haare und den personifizierten Mief aus unzähligen Bibliotheken stieß, genügte schon eine kleine Abwechslung, um große Wirkung zu erzielen - und sie unterschied sich mehr als deutlich vom Rest. Optisch, charakterlich und nicht, zuletzt in ihrem Alter. Sie muss hier Studentin sein , hatte Zamorra gedacht, während er am Rednerpult stand und sein Skript vortrug. Und ich fürchte, sie ist nicht wegen meines Referats über Geistersichtungen in der Vulkaneifel gekommen.
    Er sollte Recht behalten. Als Zamorra nach seinem Vortrag aus dem Hörsaal hinaus auf den Gang trat, stand sie schon dort und lächelte in seine Richtung, als sei er ein Zahnpasta-Hersteller und gerade auf der Suche nach neuen Werbemodels. Ein graziles Wesen mit wallendem schwarzen Haar und tiefbraunen Augen, das sich aus ihm unverständlichen Gründen in ein geblümtes T-Shirt gezwängt hatte, wie sie in den 1970er Jahren als modisch durchgegangen waren. Vermutlich war das heute wieder angesagt. Jetzt eilte sie mit schwingenden Hüften direkt auf ihn zu. »Professor«, sagte sie in akzentfreiem Französisch und klimperte dazu mit den Augenlidern, »das war ein sehr beeindruckender Vortrag. Falls Sie noch nicht gegessen haben, würde ich mich Ihnen gerne anschließen und noch mehr über das Thema ›Geistersichtungen‹ erfahren! Ich habe mich schon immer für derartige Vorkommnisse interessiert. Ganz besonders in der Eifel! Sie können sich ja bestimmt vorstellen, dass so etwas hier in Mexiko Mangelware ist!«
    Selbst jemand ohne jede Spur von Menschenkenntnis hätte die Lüge erkannt. Wahrscheinlich wusste die junge Frau nicht einmal, wo die Eifel überhaupt lag. Erstaunlich , dachte Zamorra genervt. Dennoch lächelte er die Studentin freundlich an. Jetzt haben sogar wir Para-Forscher schon Groupies. Wenn Nicole das erfährt, zieht sie mich damit garantiert monatelang auf.
    »Wissen Sie…«
    »Professor! Professor Zamorra!«
    Er hatte gerade zu einer höflichen Absage an die entzückende junge Dame angesetzt, da schallte sein Name durch den Gang. Als sich Zamorra umwandte, sah er einen rundlichen, weißhaarigen Mann in ausgeblichenem Tweed und schwarzen Halbschuhen, von denen sich die weißen Tennissocken deutlich abhoben, auf sich zueilen. Das war doch dieser komische amerikanische Parapsychologe, in dessen Vortrag vorhin alles schief gelaufen war. Der hatte gerade noch gefehlt…
    »Professor Zamorra!« keuchte der Amerikaner, als er Zamorra und die mexikanische Schönheit erreicht hatte. »Gut, dass ich Sie noch antreffe. Dürfte ich Sie um einige Minuten Ihrer kostbaren Zeit bitten? Ich garantiere Ihnen, dass es den Einsatz lohnt.«
    Shore blickte hinter dicken Brillengläsern zu Zamorra auf. Der Maya-Stümper, dachte der Franzose und schimpfte sich in Gedanken selbst für diese überhebliche Einstellung. Aber Shore war wirklich ein Unikat. Selbst hier unter all diesen
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