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0885 - Die Kralle des Jaguars

0885 - Die Kralle des Jaguars

Titel: 0885 - Die Kralle des Jaguars
Autoren: Simon Borner
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Dem die Wissenschaftler der Welt glauben und hierher folgen würden. Wie sie einst McArdbeg hatten folgen sollen.«
    Die Priesterin schwieg, doch ihr Blick sprach Bände. Sie musste sich nicht erklären, und wusste das auch. Dies war ihre Nacht, sie war Herrin der Lage. »Wo ist Nicole?« fragte Zamorra und bemühte sich, möglichst unbeeindruckt zu klingen. Es gelang ihm nicht.
    Wieder huschte ein Lächeln über Morganas Gesicht. »Können Sie sich das nicht denken? Sie ist die Jüngere von Ihnen beiden. Die Frischere. Und mir gelüstet nach einer Frischekur.« Mit diesen Worten wandte sie sich zum Tempel und achtete nicht weiter auf den Professor, der sich wütend und vergeblich in seinen Fesseln und gegen seine Bewacher aufbäumte. Als wäre sein Widerstand nicht vorhanden, folgten die beiden der Priesterin - und nahmen Zamorra einfach mit.
    ***
    Langsam senkte sich die Kralle auf sie hinab, als wolle sie die Situation auskosten, Nicoles Hilflosigkeit genießen, und obwohl ihre Lage alles andere als gut war, konnte sie nicht anders: Sie musste über die Absurdität dieses Anblicks einfach lachen. Zumindest innerlich, denn der dicke Knebel verschluckte nahezu jeden Laut.
    Über ihr, etwa einen Meter über dem Boden, schwebte eine Kralle. Eine halb durchsichtige, flackernde Jaguarkralle - und sonst nichts. Kein Tierkörper; auch keine Fäden, die das denkwürdige Gebilde heimlich hielten. Nur die Kralle selbst, groß und scharf aussehend, die flimmerte und waberte, als fiele es ihr schwer, die Position zu halten. Sichtbar zu bleiben. Nicole hörte den Jaguar knurren und fauchen, auch wenn sie ihn nicht sah! Sie wusste, dass sie nicht mehr allein im Thronsaal der Pyramide war, und sie glaubte sogar das Tier riechen zu können, schrieb dies aber ihrer ohnehin Amok laufenden Fantasie zu.
    Nicole lachte trotz ihrer Fesseln, lachte trotz der Bedrohung, lachte bis ihr die Luft knapp wurde und die Welt vor ihren Augen verschwamm.
    Und die Kralle kam näher.
    ***
    Während sie durch kaum erleuchtete Gänge ins Innere des Bauwerks vordrangen, versuchte Zamorra, das Gespräch mit der Frau fortzuführen, die er als Morgana Fatima kennengelernt hatte. Er brauchte noch mehr Informationen, wollte wissen, was mit Nicole geschehen war, wollte Zeit gewinnen. Doch die Alte ignorierte ihn.
    Mit einem Mal spürte der Professor einen Lufthauch auf seiner Brust, durch das durchgeschwitzte und mit zahlreichen Blutflecken besudelte Hemd hindurch. Das Amulett - es war fort! Nicole hatte es zu sich gerufen. Das geschah nur im Notfall, und nur sie konnte es - außer ihm selbst - zu sich rufen oder ihm überhaupt irgendwelche Befehle erteilen.
    Halte durch, Mädchen, dachte Zamorra grimmig. Halte durch.
    ***
    Der Anblick übertraf Zamorras schlimmste Erwartungen.
    Sie befanden sich im Thronsaal der Pyramide, er erkannte ihn sofort wieder, Connor McArdbegs Beschreibungen sei Dank. Und auf der Opferplatte vor dem Thron, wo einst Fritz Haberland sein Leben gelassen hatte, lag nun, brutal gebunden und sichtlich verängstigt, Nicole Duval! Der Raum war fensterlos und mit wenigen, in den Boden eingelassenen Fackeln nur spärlich beleuchtet - und doch war er momentan von gleißender Helligkeit erfüllt. Das Amulett… es beschützte Zamorras Gefährtin!
    Nicole war rücklings auf die Opferplatte gespannt worden und konnte sich kaum rühren, doch das Amulett schwebte über ihr und hatte eine Art Schirm um ihren gefesselten Körper errichtet, der sie von magischen Kräften beschützte. Keine Minute zu früh, wie es schien, denn eine gespenstisch wirkende, körperlos daherschwebende Jaguarkralle versuchte gerade, die sich verzweifelt in ihren Fesseln windende Nicole zu erreichen. Wieder und wieder stieß die Kralle gegen die magische Schutzaura des Amuletts und konnte sie dennoch nicht durchdringen. Zamorra hörte ein Fauchen, und es klang zornig. Bedrohlich.
    Er wusste, was jetzt kam. Die Blitze!
    Gleißende Blitze weißen Lichts schossen aus der Schutzaura, deren einziges Ziel darin bestand, die Gefahr durch schwarzmagische Elemente zu beseitigen und die Amulett-Trägerin zu beschützen.
    Der Franzose blickte zur Priesterin und versuchte es abermals mit Worten, nutzte die Gelegenheit. »Geben Sie auf, Morgana! Sie sehen ja, was passiert: Ihr Zauber unterliegt.« Doch ihre Entführerin lächelte nur. »Glauben Sie etwa, ich hätte mich nicht genauestens vorbereitet, bevor ich Sie und Ihre Partnerin zu mir gerufen habe?« fragte sie unbeeindruckt.
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