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087 - Der sentimentale Mr. Simpson

087 - Der sentimentale Mr. Simpson

Titel: 087 - Der sentimentale Mr. Simpson
Autoren: Edgar Wallace
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    »Nimm Platz. Ich will dir eine Geschichte erzählen. Sie beginnt am 18. März, als der Dampfer ›Phoenician‹ in New York nach Southampton auslief. Das Schiff, ein Achtzehntausendtonner, gehört den Brüdern Septimus und Francis Balte.«
    »Du meinst unseren Francis?« fragte May überrascht.
    »Unseren Francis«, wiederholte John Antrim grimmig.
    »An Bord befanden sich fünf Millionen Pfund in britischen, französischen und italienischen Banknoten«, fuhr er fort, »die in London der Anglo-Amerikanischen Bank übergeben werden sollten. Man hatte das Geld in sechs Metallkästen verpackt, die luft- und wasserdicht verschweißt worden waren und ihrerseits wieder in massiven Holzkisten Aufnahme fanden. Man brachte die Kisten im Tresorraum unter, der sich backbords im G-Deck befindet. Die Tür des Tresorraums öffnet sich auf eine Kabine, in der normalerweise ein Schiffsoffizier wohnt.
    Bei dieser Gelegenheit befand sich Mr. Francis Balte, einer der Eigentümer, an Bord. Wegen der Bedeutung der Fracht ließ er die Offizierskabine für sich selbst reservieren. Untertags, und stets, sobald Mr. Balte die Kabine verließ, hielt sich sein persönlicher Steward Deverly dort auf.
    Francis hatte die Schlüssel zum Tresorraum an sich genommen. Er trennte sich niemals davon, auch nachts nicht. In der Nacht zum 26. erschien der Zahlmeister bei Francis und legte mehrere Dokumente bezüglich des Geldes vor. Francis öffnete die Tür zum Tresorraum, und der Zahlmeister überprüfte die Kisten. Die Tür wurde wieder geschlossen und abgesperrt. Die Kabine besaß kein eigenes Bad, weshalb Balte eine Sitzbadewanne benützte, die ihm der Steward zusammen mit einem Dutzend kleiner Handtücher jeweils in die Kabine brachte. Man legte die Handtücher auf dem Boden aus, damit der eigens für Mr. Balte beschaffte Teppich nicht Schaden erlitt. Der Steward erschien dann später wieder, nahm die Badewanne und sechs Handtücher mit. Die anderen sechs waren ungebraucht.«
    May runzelte die Stirn. Was hatten die Handtücher mit der Geschichte zu tun?
    John Antrim schien ihre Gedanken lesen zu können.
    »Ich habe mit dem Steward gesprochen«, meinte er, »und das Verschwinden der Handtücher war für ihn das seltsamste Ereignis der ganzen Affäre. Als sich das Schiff am nächsten Morgen den Needlers näherte, kam der Zahlmeister mit fünf oder sechs Seeleuten in die Kabine. Balte schlief noch, aber er stand auf und gab dem Zahlmeister den Schlüssel zum Tresorraum. Der gute Mann öffnete die Tür und fand - nichts.« Er stöhnte. »Ich hätte niemals für eine solche Summe gutsagen dürfen.«
    »Du hast eine Garantie gegeben!« sagte May entsetzt.
    Er nickte. »Es war blanker Wahnsinn«, meinte er bitter. »Normalerweise wäre ich nur mit einem geringen Teil des Verlustes belastet worden. In einem Augenblick geistiger Verwirrung habe ich jedoch das gesamte Risiko übernommen. Jetzt weißt du alles.
    Das Schiff wurde natürlich von vorne bis hinten durchsucht - jeder Zentimeter. Der Steward hatte draußen im Korridor Wache gehalten - allerdings gibt er zu, mit dem Rücken zur Tür gesessen und eingeschlafen zu sein. Niemand konnte durch die Pfortluke einsteigen, entgegen einer ersten Theorie der Polizei, daß sich ein Mann an der Seite hinuntergehangelt hätte und dann durch die Luke eingestiegen sei. Der Steward sprach immer nur von den Handtüchern - sechs Handtücher und sechs Kisten voll Banknoten! Nur in einer Beziehung konnte er etwas Interessantes vermelden. Mitten in der Nacht hatte er deutlich ein Geräusch gehört, wie es beim Aufziehen einer Uhr entsteht.«
    »Und was ist das gewesen?«
    »Er hörte es sechsmal, leise, aber deutlich. Heute will er sich natürlich nicht so festlegen, er meint, es könne auch das Knarren von Seezeug gewesen sein. Auf einem Schiff hört man ja alle möglichen Geräusche. Ich muß wieder auf die sechs Handtücher zurückkommen. Sie spielen für mein Gefühl eine große Rolle. Die Kisten waren übrigens ziemlich schwer, weil es sich vorwiegend um Banknoten niedrigen Nennwerts handelte, die man sogar mit hydraulischem Druck hatte verpacken müssen, damit sie in den Kästen Platz fanden. Jede Kiste wog etwa hundertzwanzig Pfund.«
    »Ich hätte nie gedacht, daß Papiergeld soviel wiegt«, meinte May. »Wie viele Fünfpfund-Noten könnte ein normaler Mensch tragen?«
    »Eine Gesamtsumme von vielleicht hunderttausend Pfund«, erwiderte Antrim, »aber auch nicht weit. So steht es also, mein Kind. Irgendwo
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