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0860 - Die Blutbank von Venedig

0860 - Die Blutbank von Venedig

Titel: 0860 - Die Blutbank von Venedig
Autoren: Earl Warren
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Wasser. Die Gondel schwankte in den Wellen.
    Der Studienrat empörte sich.
    »Das gehört verboten!«, rief er. »Anzeigen müsste man diesen Kerl. Das ist einwandfrei gegen die Wasserverkehrsordnung, und er ist zu schnell.«
    »Polizia«, rief Tortone gleich und tat, als ob er sich die Kennnummer des Motorboots, das tatsächlich zu schnell war, notieren würde.
    Sie war jedoch sowieso abgeändert oder Ziffern davon zugeklebt, deshalb sparte er sich die Mühe. Der Studienrat schaute ihn jedoch wohlgefällig an. Das angebliche Aufschreiben des Verkehrssünders gefiel ihm.
    Auf den Brücken und in den Straßen Venedigs herrschte reger Betrieb. Der Gondoliere ruderte dem Fischmarkt zu, um seinen Fahrgästen echte Folklore zu zeigen und sie dort mit einer Ombra, einem kühlen Weißwein, und klassischen Cicchetti, leckeren Kleinigkeiten, in einem der typischen Lokale zu verwöhnen.
    Tortone wusste, welches er aufsuchen würde - es gehörte einem Vetter von ihm; von denen hatte er, wie jeder Italiener, sehr viele. Es war noch früh; der Studienrat war um sechs Uhr früh aufgestanden, was mit ihm die Gattin musste, um möglichst viel von dem Urlaubstag und Venedigs Sehenswürdigkeiten, Galerien und Museen zu haben.
    Der Gondoliere sang mit klangvoller, schöner Stimme. Er hätte mit der entsprechenden Ausbildung als Bariton an der Mailänder Scala auftreten können und in anderen großen Häusern. Doch hatte er nie die Gelegenheit dazu gehabt. Wie viele Italiener hatte er eine angeborene Liebe zur Musik.
    Er schmetterte ein altes venezianisches Liebeslied. »La Bella di Gondola« - die Schöne in der Gondel. Selbst der Duisburger Studienrat war von der Schönheit der Stimme des Gondolieres ergriffen und hörte auf, in seinem Reiseführer zu blättern.
    Nach der Schönen aus der Gondel schmetterte Tortone eine Arie aus »Rigoletto«. Er sang fast perfekt in der Intonisation.
    Plötzlich jedoch riss die Studienratsgattin weit die Augen auf. Sie starrte - da trieb etwas im Kanal. Auch Tortone sah es. Er hörte zu singen auf und ruderte näher.
    Da hatte sich etwas unter Wasser verfangen. Es trieb eigentlich nicht, es hing irgendwo fest. Tortone stoppte die Gondel, indem er das Ruder querstellte und wriggte. Er schaute hinunter.
    Er konnte nicht genau erkennen, was es war. Doch es schaute aus, als ob dort eine Hand - und zwar eine kleine, weibliche - knapp unter der Wasseroberfläche sei. Ein Verdacht stieg in Tortone auf.
    Er schluckte. Am liebsten hätte er sich entfernt, doch das ging nicht. Wenn es war, was er fürchtete, und die Polizei bekam heraus, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte, ohne Meldung zu machen, war er seine Lizenz los. Das konnte er nicht riskieren.
    Der Gondoliere stakte also mit seinem Ruder, um zu lösen, was da im Wasser festhing. Nahe dem Ufer. Irgendetwas lag am Grund, daran hatte sich der Körper, der er zu sein schien, verfangen.
    Dann löste er sich. Eine Hand kam empor, eine völlig blutleere, bleiche Frauenhand, die noch mit einem Ring und einer Uhr am Gelenk geschmückt war. Nasses blondes Haar klebte ums blasse Gesicht, dessen Augen weit aufgerissen waren voller Grauen und Qual.
    Am Hals der jungen Frau in dem roten Kleid waren deutlich zwei Bissmale zu sehen, nahe beieinanderliegend. Sie war völlig blutleer. Weshalb sie schwamm - ob deshalb oder aus einem anderen Grund - würden die Kriminalpathologen feststellen müssen.
    Die Studienratsgattin fing furchtbar zu schreien an. Sie hörte nicht auf. Tortone war leichenblass, genauso ihr Mann. Der Gondoliere zog, obwohl ihn graute, die Leiche der armen jungen Frau zu seiner Gondel. Er wollte sie an Land bringen.
    Er rief einem Kollegen zu, übers Handy die Polizei zu verständigen. Er wusste noch nicht, dass er die Leiche von Marietta Zuber geborgen hatte.
    ***
    Im Motorboot fuhren Nicole und Zamorra zum Polizeipräsidium der 300.000-Einwohner-Stadt Venedig.
    Das Präsidium befand sich beim Hauptbahnhof Santa Lucia, einem internationalen Bahnknotenpunkt und Sackbahnhof. Um den Weg abzukürzen, fuhr Zamorra persönlich mit dem Motorboot durch einen Nebenkanal statt den breiten Canal Grande.
    Er hatte dafür eine Ausnahmegenehmigung; es zahlte sich aus, ein international anerkannter Parapsychologe zu sein und schon manchen staatlichen Fällen geholfen zu haben. Zamorra hielt sich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzung.
    Plötzlich jedoch schoss aus einem schmalen Nebenkanal ein schwarzes Motorboot mit spitzem Bug hervor. Wie ein Geschoss
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