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086 - Und nachts kam der Vampir

086 - Und nachts kam der Vampir

Titel: 086 - Und nachts kam der Vampir
Autoren: Frank deLorca
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abgeschworen, und jetzt mußte er mitinhalieren, ob er wollte oder nicht.
    Er bestellte Sprudelwasser und zog sich damit das Mißtrauen des Wirtes zu, dem es allein schon an der Statur anzusehen war, daß er in einem anderen Teil des Gebäudes noch eine Metzgerei betrieb.
    »Sprudelwasser?« fragte er vorsichtshalber zurück, um sich zu bestätigen, daß er sich nicht verhört hatte.
    »Sprudelwasser«, nickte der Reporter.
    Seufzend holte der Wirt eine Flasche aus der Kühlung.
    Soweit Ferdinand Wilkin die Situation übersehen konnte, würde er keinen Sitzplatz mehr bekommen. Das Lokal war brechend voll. Doch der Platz an der Theke war nicht übel. Von hier aus hatte er einen guten Überblick. Er nippte am Wasser.
    An jedem Tisch hatten sich Gruppen gebildet, die für sich die Mordfälle diskutierten. Sieben Tische standen im Zimmer. Am heftigsten und lautesten ging es an einem runden Tisch zu, an dem sechs Männer Platz gefunden hatten und in dessen dunkelgebeizter Mitte neben einem überquellenden Reklame-Aschenbecher ein bunter Stammtischwimpel stand.
    Die Männer hatten ihre Jacken ausgezogen und über die Rückenlehnen der Stühle gehängt. Alle waren sie bestimmt keine Bauern. Zumindest von dreien der Männer waren die Hände viel zu feingliedrig und zu gepflegt, um für gröbere Arbeiten zu taugen.
    Und Ferdinand Wilkin sah auch den langmähnigen und spindeldürren Fred Mertens vom ABEND-KURIER, dem Konkurrenzblatt. Mertens hatte ihn noch nicht gesehen. Er saß betont gelangweilt da, und Ferdinand wußte, daß er jedes Wort mitbekam, das am Stammtisch gesprochen wurde. Auch er strengte sich an, die am runden Tisch gesprochenen Worte aus dem allgemeinen Stimmenwirrwarr zu selektieren. Die Entfernung war nicht allzugroß, und es klappte leidlich.
    Einer der Männer von der zarteren Sorte erzählte gerade, daß er am Vorabend der Mordnacht einen verdächtigen Mann gesehen habe, der vor dem Schaufenster seiner Apotheke gestanden und einen unsteten Blick gehabt habe. Ihm würde er die Tat schon zutrauen. Jedenfalls sei der Mann sehr verdächtig gewesen.
    »Hast du das auch schon der Polizei erzählt?« fragte sein Gegenüber, ein Mann um die Dreißig, mit einem roten, runden Gesicht und kurz geschorenem, dichtem, fast schwarzem Haar.
    »Wo denkst du hin?« fuhr der Apotheker auf. »Ich mische mich doch nicht in so etwas. Mit der Polizei möchte ich nichts zu tun haben. Soll die doch aufpassen. Sie ist schließlich dazu da, uns vor solchen Elementen zu beschützen.«
    »Richtig«, fiel ein behäbiger Endfünfziger ein, den allein sein mächtiges Doppelkinn und sein breiter Hintern zum Verwaltungsfachmann prädestinierten. »Ich als Bürgermeister habe damals aufs schärfste protestiert, daß die Polizeistation aus Seehamm abgezogen wurde. Jetzt haben -wir die Bescherung. Wir werden eine Eingabe ans Ministerium machen.«
    Er griff zum Maßkrug und genoß sichtlich den Beifall, den ihm seine Mitzecher mit Worten und Blicken zollten.
    »Prost, meine Herren. Trinken wir darauf, daß der Mörder bald gefaßt wird.«
    Ferdinand Wilkin wandte sich ab. Das war fast mehr Lokalkolorit, als es für einen vernünftigen Menschen ertragbar war.
    Fred Mertens vom ABEND-KURIER schien derselben Meinung zu sein, denn er stand auf. Gleichzeitig sah er seinen Kollegen und hob grüßend die Hand. Er grinste und zeigte das »Victory«-Zeichen — die zu einem »V« gespreizten Zeigefinger.
    Ferdinand rückte zur Seite. Für einen Außenstehenden sah es so aus, als würden sich hier zwei Freunde begrüßen, als Mertens sich mit an die Theke stellte und dem Kollegen die Hand schüttelte, doch mit der Freundschaft war es nicht weit her. Wenn es um eine gute Story für ihre Blätter ging, konnten sie sich bekämpfen wie zwei Kampfhähne in einer Dorfarena in der Karibik. Mit dem einzigen Unterschied, daß am Ende immer beide am Leben blieben. .
    Das letzte Mal hatte Mertens die bessere Story an Land gezogen. Deshalb war er jetzt im Gegensatz zu Ferdinand prächtig aufgelegt. Wußte er schon etwas über den Mordfall?
    »Hi, Ferdy. Auch mal wieder auf Achse? Ich hatte gedacht, bei der NACHTDEPESCHE wird zur Zeit eine Weltmeisterschaft im Verschlafen abgehalten.«
    »Wir haben das Unternehmen wieder gestoppt«, entgegnete Ferdinand lustlos. »Wie lange bist du schon hier?«
    »Ich war noch am selben Abend da. Du kommst spät, mein Lieber. Die einzigen Fotos, die es vom Tatort gibt, habe ich den Nachtwächtern von diesem Lokalblatt schon
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