Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
086 - Und nachts kam der Vampir

086 - Und nachts kam der Vampir

Titel: 086 - Und nachts kam der Vampir
Autoren: Frank deLorca
Vom Netzwerk:
größten Schundblatt, das weit und breit gedruckt wird«, schnitt Ferdinand ihm das Wort ab. »Siehst du nicht, daß du hier störst?«
    »Aber ich...«
    »Schone deine Stimmbänder«, meinte Ferdinand ruhig. »Herr Högl ist ein alter Freund von mir. Komm, trinke noch einen Cognac auf meine Rechnung.«
    Da der Beamte keinerlei Anstalten machte, Ferdinand zu unterbrechen, schoß der andere noch einen wütenden Blick ab und trollte sich.
    »Ein Kollege«, erklärte Ferdinand leichthin.
    »Das habe ich gemerkt. Vom Abend-Kurier, nicht wahr? Führt ihr immer noch euren großen Krieg?«
    »Wir heben jeden Tag ein paar neue Schützengräben aus«, antwortete Ferdinand trocken. »Er wird Ihnen noch früh genug lästig werden. Aber weil wir gerade zusammen sprechen: Sie sind doch im Augenblick wegen dieser komischen Mordsache unterwegs?«
    »Wenn Sie meinen, daß es inzwischen etwas Neues gibt, muß ich Sie enttäuschen. Ich bin noch keinen Schritt weiter als gestern.«
    »Ich will ja nicht neugierig sein, aber ich hatte ganz den Eindruck, als würden Sie hier jemanden suchen.«
    »Das stimmt auch. Aber er ist nicht hier.
    Ferdinand wollte nicht weiter den Beamten ausquetschen. Er würde schon etwas sagen, wenn er etwas sagen wollte. Sie hatten damals vor einem halben Jahr beim Abschied im Ratskeller in Georgenburg ganz fürchterlich gezecht, und so ein gemeinsames Erlebnis verbindet.
    »Kann ich mich trotzdem mit Ihnen unterhalten?« fragte Ferdinand Wilkin.
    »Sicher. Aber nicht hier.«
    »Draußen?«  Klaus Högl nickte.
    Ferdinand Wilkin kramte einige Münzen in der Tasche seiner engen Hose zusammen, legte sie auf den Tresen und winkte Fred Mertens freundlich zu, bevor er das Lokal verließ.
    ***
    Paul Lehner war der Meinung gewesen, man hätte den Schulwandertag abblasen müssen, aber der Rektor der Hauptschule war wie in vielen anderen Punkten auch in diesem anderer Meinung gewesen.
    »Diese läppische Geschichte wird den Stundenplan unserer Schule nicht durcheinanderbringen«, hatte er gesagt und drohend seinen feisten, fleischigen Zeigefinger ausgestreckt. »Der Wandertag wird abgehalten.«
    Er gehörte noch zu jener Garde alter Schulmeister, die dank ministerial-bürokratischer Engstirnigkeit auch dann weiterbefördert wurden, wenn sie im Laufe der Jahrzehnte einen Abgrund von Borniertheit und Unfähigkeit vor sich ausgeschaufelt hatten und als einzigen Vorzug lediglich die Anzahl ihrer Jahre aufweisen konnten.
    Paul Lehner — vor nicht allzulanger Zeit hatte er selbst noch die Schulbank gedrückt — hatte wenigstens durchsetzen können, daß er die vorgesehene Wanderroute seiner Klasse ändern konnte. Sie gingen jetzt nicht zum Seehammer Weiher, sondern hinauf zum Hirtenberg, dessen bewaldete Hänge von grauweißen Kalksteinfelsen durchbrochen wurden, die wie die Zähne eines ausgestorbenen Urweltriesen aus dem sanften Grün des Laubes bleckten.
    Im nächsten Jahr wollte der Wanderverein dort einen Weg anlegen, und dann würde es auch dort mit der Ruhe vorbei sein. Die Städter würden wie Termiten über diese Oase der Stille herfallen und wahllos Abfalltüten darüber verstreuen.
    Die Kinder lärmten, als gelte es einen Preis dabei zu gewinnen. Paul Lehner ließ sie schreien. Er mochte Kinder, und er freute sich mit ihnen, wenn sie sich freuten. Und solange sie noch am knietiefen Mühlbach entlang durch das breite, von gelben Dotterblumen gesprenkelte Tal gingen, konnte den Kindern auch nichts zustoßen. Er mußte erst wieder aufpassen, wenn sie wieder den Hirtenberg erreichten. Die Felsen luden die Rasselbande geradezu zum Klettern ein.
    Das Dorf lag schon weit und dunstig hinter ihnen, und die Sonne näherte sich ihrem höchsten Stand. Oben auf dem Berg würden sie Rast machen und die mitgebrachten Brote verzehren. Die Kinder murrten, als sie sich vor dem Aufstieg in Zweierreihen aufstellen mußten. Aber sie schätzten ihren Lehrer und folgten schließlich nach einigem Hin und Her seinen Anweisungen.
    Auch Fritz Luber folgte ihnen, wenn auch recht widerwillig. Er war ein äußerst aufgewecktes Bürschchen, und der Lehrer hatte seine liebe Not mit ihm. Doch jetzt faßte er trotzdem die schmutzige Hand vom Birner Otto, den er sowieso nicht leiden konnte, weil er ihn vorige Woche beim Murmelspiel übers Ohr gehauen hatte.
    Sie stiegen bergauf, und Paul Lehner paßte auf, daß keines seiner Schäfchen verlorenging. Nach einer Viertelstunde hatten sie den Gipfel erreicht.
    Oben war der Berg kahl. Nur dürres
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher