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086 - Und nachts kam der Vampir

086 - Und nachts kam der Vampir

Titel: 086 - Und nachts kam der Vampir
Autoren: Frank deLorca
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Wagen und war vor ihm am See. Kalt wehte der Wind vom Berg herunter, und ohne den Schutz der Bäume auf beiden Seiten der Lichtung fror sie. Peter kam gerade im rechten Augenblick, um ihr seine Lederjacke um die Schultern zu legen.
    Die Jacke war viel zu groß, und Lissy raffte sie vor der Brust zusammen. Sie schaute zu dem hochgewachsenen jungen Mann auf.
    Peter starrte etwas mißmutig auf den See hinaus. Das romantische Flair der nächtlichen Landschaft hatte für ihn jeden Reiz verloren, nachdem es keinen Zweck mehr erfüllen konnte. Alles, was jetzt noch kam, war Zeitvergeudung. Doch er glaubte es dem Mädchen schuldig zu sein, die Rolle des ritterlichen Galans weiterzuspielen.
    Sie gingen am See entlang. Das Ufer war weich, und bei jedem Schritt gluckerte Wasser in den verborgenen Tiefen.
    Weiter oben, auf einer Anhöhe ein Stück Vom Ufer entfernt, schnitt das Mondlicht eine roh zusammengezimmerte Bank aus der Finsternis. Das Mädchen steuerte zielstrebig darauf zu. Es hatte den Anschein, als kenne sie diesen Platz und wäre heute nicht zum ersten Mal hier.
    »Hier stört uns niemand«, rief sie über die Schulter zurück und zog Peter Wenlein den Hang hinauf auf die Bank zu.
    Im Studenten begannen Zweifel darüber zu erwachen, ob diese Kaufmannstochter wirklich noch so unschuldig war, wie er anfangs geglaubt hatte. Die Augen, die ihm entgegenblitzten, waren die einer Frau.
    Peter Wenlein lief schneller.
    Sie hatten die Bank nach einer halben Minute erreicht. Lissy ließ sich als erste darauf sinken. Wie unbeabsichtigt blieb dabei der Saum ihres weiten Rockes ein ganzes Stück oberhalb der Knie auf den Schenkeln liegen. Sie unternahm keine Anstalten, die Blöße zu verdecken.
    Peter Wenlein grinste.
    »Ich glaube, wir bleiben doch noch eine Weile«, sagte er.
    »Habe ich dich wirklich überredet«, zwinkerte sie ihm zu. »Setz dich doch. Oder hast du Angst vor mir?«
    Nein. Angst- hatte er keine. Er würde es diesem Luder schon zeigen, daß sie ihn nicht umsonst hierhergelockt hatte.
    »Mach’ ein wenig Platz«, sagte er und beugte sich zu ihr hinunter.
    Aber das Mädchen beachtete ihn nicht mehr. Das Gesicht zwischen den dunkelblonden Haaren war urplötzlich wächsern wie das einer Toten. Die Augen starrten mit nachtschwarzen Pupillen an ihm vorbei in den Nachthimmel. Dann fiel ein Schatten über die Augen, fiel auch über den Studenten Peter Wenlein.
    Er hörte das Flattern erst im letzten Moment. Als er herumfuhr, sah er gerade noch zwei brennende Feuerpunkte in einem haarigen, spitz zulaufenden Etwas.
    Und dann schlugen auch schon Krallen in seine Schulter. Er fühlte, wie sein Schlüsselbein brach. Peter Wenlein stürzte, kam auf den Rücken zu liegen. Ein krallenbewehrter Fuß trat auf seinen Hals, schnitt ihm die Luft ab. Der Student wollte die Last von sich wälzen, doch das Wesen über ihm war stärker.
    Er war beim Sturz hart an der Kante der Sitzbank aufgeschlagen. Blut rann ihm warm in den Nacken.
    Das Wesen über ihm stieß ein kreischendes Pfeifen aus, wie es der Student noch nie gehört hatte, und wie er es auch nie wieder hören würde.
    Er lag mit dem Kopf zu der Bank. Wenn er den Kopf ganz in den Nacken legte, konnte er verwaschen das verzerrte Gesicht des Mädchens sehen. Es hatte keinen Laut von sich gegeben.
    Jetzt wußte er, warum.
    An ihrem Hals klaffte eine breite Wunde. Und der Kopf des Wesens neigte sich darüber.
    Der Fuß an Peters Hals tastete sich höher, glitt über sein Gesicht. Er sah die Krallen noch auf seine Augen zukommen, doch dann zerplatzte sein Bewußtsein in einem fürchterlichen Schmerz...
    ***
    Herrman Kreger brauchte keinen Wecker. Er wachte jeden Tag früh um halb vier auf. Sommer wie Winter. Seine innere Uhr funktionierte besser als jede von Menschen geschaffene Mechanik.
    Er dachte sofort nach dem Aufwachen an die vorletzte Nacht, und ein spöttisches Grinsen huschte über seine ungelenken Züge. Ein Beobachter hätte dieses Lächeln als ein nervöses Zucken gedeutet.
    Herrmans Gesicht war nicht geeignet, Gefühlsregungen zu artikulieren. Es erinnerte an ein roh behauenes Stück Holz, und sogar die Farbe war ähnlich gelblich und ungesund. Es war ein Gesicht, wie es die Holzfäller im Nachbardorf an langen Winterabenden in ihre Krippenfiguren schnitzten.
    Die Stirn wölbte sich breit unter dem kurzgeschorenen Haar und fiel an den buschigen Augenbrauen schroff zu tiefliegenden Augenhöhlen ab, in denen die Lider nicht zu sehen waren. Nur die Iris glitzerte grau
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