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086 - Und nachts kam der Vampir

086 - Und nachts kam der Vampir

Titel: 086 - Und nachts kam der Vampir
Autoren: Frank deLorca
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und bleiern wie ein düsterer Bergsee bei einem regenverhangenen Himmel. Die Nase war klobig und gab dem Gesicht zusammen mit dem breiten, vorspringenden Kinn ein dümmlich-brutales Aussehen. Herrman Kreger wurde von vielen nach seinem Gesicht beurteilt. Kaum jemand wußte, daß er weder dumm noch im eigentlichen Sinne brutal war. Er war verschlossen, war in sich gekehrt, war ein Eigenbrötler trotz seiner jungen Jahre.
    Neben der Emaille Schüssel mit frischem Wasser lag ein hartes Stück Brot mit ausgetrockneter Rinde. Herrman Kreger grub seine starken, ungepflegten gelben Zähne hinein und biß ein Stück ab.
    Kauend wusch er sich flüchtig und trank einen Schluck aus den zur Kelle geformten Händen.
    Das Brot in seinem Mund wurde weicher.
    Schließlich hatte er sein Frühstück beendet. Er schlüpfte in viel zu weite Hosen, die schon hoch über seinen Knöcheln in Fransen endeten. Als Hosenträger dienten zwei Kälberstricke. Er schlüpfte in die Schleifen und schob sich das hellblau gestreifte Hemd in den Bund. Derbes, verschmutztes Schuhwerk vervollständigte seine Kleidung.
    Herrman Kreger trat an das geöffnete Fenster und sog die Morgenluft ein, die noch den Duft der taufeuchten Wiesen trug. Über den hügeligen, mit Mischwald bedeckten Horizont kroch die Dämmerung. Die Nebelbahnen, die sich ins Tal zogen, glichen zum Riesenhaften angewachsenen, klebrigen Spinnenbeinen, doch bald schon würde ein neuer sonniger Tag die Schrecken der Nacht vertreiben.
    Aber er würde nicht alle Schrecken vertreiben können.
    Herrman Kreger lächelte wieder sein befremdendes Lächeln.
    Er spannte den zweirädrigen, gummibereiften Karren hinter den Traktor und tuckerte aus dem Hof.
    Der Hahn krähte. Sein Krähen ging im Tuckern des Diesels unter.
    Herrman Kreger lenkte den Traktor auf die Dorfstraße hinaus. Der Nebel lag auch in der Ortschaft, doch er behinderte Herrman nicht. Er hätte diesen Weg blind fahren können.
    Seit zwei Jahren fuhr er ihn täglich. Gegen ein geringes Entgelt sammelte er auf den übrigen Höfen die Milchkannen ein, die am Vorabend nach dem letzten Melken vor den Hoftoren auf eigens dafür gezimmerten Holzplattformen gestellt wurden, und brachte die ganze Ladung zu einer Sammelstelle, wo ein Tankwagen der Molkerei sie übernahm.
    Viel war damit nicht zu verdienen, weil Andreas Breitinger, der Bauer, auf dessen Hof Herrman sich verdungen hatte, die Hälfte für die Benutzung des Traktors für sich beanspruchte.
    Bei Herrman Kreger blieben im Grunde genommen all jene Arbeiten und Verrichtungen hängen, die sich andere nicht zumuten wollten. Für sie war Herrman Kreger der gutmütige Trottel, dem man alles auftragen konnte. Er spielte den Trottel schon seit zehn Jahren, als er das Dorf zum ersten Male betreten hatte.
    Vor wenigen Wochen war er achtzehn Jahre alt geworden.
    Der Anhänger war voll, und das Dorf verschwand hinter ihm im Dunst. Er fuhr die Anschlußstraße hinaus, die den Ort mit der nächsten größeren Kreisstraße verband. Dort, beim gelben Wegweiser, war auch der Platz, an dem er die Kannen abstellen mußte.
    Er war zu früh dran.
    Herrman Kreger schaltete den Motor aus und blieb regungslos auf dem schlechtgefederten Stahlsessel sitzen. Scheinbar dumpf vor sich hinstarrend wartete er auf den Wagen von der Molkerei.
    Doch hinter Herrmans Stirn kreisten die Gedanken.
    Die Leute im Dorf hielten ihn für einen Kretin, aber er wußte es besser. Sie würden sich noch wundern, wenn er erst einmal die ganze Gegend in Angst und Schrecken versetzt hatte.
    Die einzige Gaststätte im Dorf war gestern bis weit nach Mitternacht bis zum letzten Platz besetzt gewesen. Er konnte von seiner Kammer aus zu den hellerleuchteten Fenstern hinübersehen.
    Die Gäste hatten bis weit über die Sperrstunde hinaus diskutiert. Sie hatten sich die Köpfe heiß geredet, damit die anderen nicht erkennen sollten, wie ihnen die Angst schon im Nacken saß.
    Am Türbalken der Kolonialwarenhandlung hatte heute früh ein Trauerflor gehangen. Müde und matt von der aufgesogenen Feuchtigkeit hatte er nur leicht gependelt.
    Herrman Kregers Gesicht zuckte spöttisch. Die Elisabeth hatte nicht viel getaugt. Sie verdiente es nicht besser. Sie war eine von jenen dummen Gänsen gewesen, die ihn verlachten und verhöhnten. Nur gut, daß ihr jetzt diese Quittung präsentiert worden war.
    Der junge Bursche verharrte regungslos auf dem Traktor, bis ihm fernes Motorengeräusch das Nahen des Molkereiwagens ankündigte. Erst jetzt setzte
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