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086 - Und nachts kam der Vampir

086 - Und nachts kam der Vampir

Titel: 086 - Und nachts kam der Vampir
Autoren: Frank deLorca
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Gras wuchs auf der Lichtung. Die Leute im Nachbardorf hatten für die Bergkuppe noch einen zweiten Namen. Zu Kirchdorf gehörte ein Franziskanerkloster, und die Kirchdorfer sagten reichlich »Franziskanerbirne« zum Hirtenberg, weil sein kahler Gipfel inmitten des wild wuchernden Urwaldes der Tonsur eines frommen Paters nicht unähnlich war.
    Sofort schwärmten die Kinder wieder auseinander, als Paul Lehner ihnen grünes Licht dafür gegeben hatte. Nur die Lichtung durften sie nicht verlassen.
    ’ Der kleine Fritz ließ die Hand vom Birner Otto aus und wischte sich seine Hände sogleich an seiner Hose ab, wobei sie mit Sicherheit nicht sauberer wurden.
    Die anderen Kinder packten ihre Brote aus, und Fritz kam sich ziemlich nutzlos vor, weil er seine Stullen schon unterwegs verzehrt hatte. Er schaute zu, wie der Lehrer sich ins Gras legte, gegen den Himmel mit den Schäfchenwolken schaute und an einem Grashalm zu knabbern begann.
    Fritz grinste.
    Er war wirklich ein sehr aufgeweckter Junge mit seinen zehn Jahren, und er konnte sich denken, woran der Herr Lehrer dachte. Fräulein Pittes, die die Parallelklasse unterrichtete, war auch wirklich ein »blitzsauberes Mädel«, wie Fritzchen schon längst mit Kennerblick festgestellt hatte — auch wenn sie »ein Preiß« war.
    Als seine Überlegungen soweit gediehen waren, verlor er auch schon wieder das Interesse an ihnen.
    Erwachsenenkram.
    Und mit den anderen spielen konnte er jetzt auch nicht. Scheinbar war er der einzige gewesen, der seinem vorzeitigen Hungergefühl nachgegeben hatte.
    Er war noch nie auf dem Hirtenberg gewesen. Die Bergkuppe lag zu weit vom Dorf entfernt, und wenn sie einmal kraxeln wollten, dann gab es auch näher an Seehamm genügend Gelegenheiten. Aber wenn er schon einmal hier war, dann wollte er sich nicht auf dieser nutzlosen Wiese langweilen, sondern etwas unternehmen, was mehr Spaß machte, als den Himmel oder die Landschaft anzuschauen.
    In den Bilderheften, die er manchmal kaufen durfte, passierte auch immer etwas. Aber wenn der Trapper Old Pecos immer nur faul auf einer Wiese herumgelungert hätte, dann hätte er seine spannenden Abenteuer auch nicht erlebt.
    Der kleine Fritz redete sich noch eine knappe Minute lang ein, daß er eigentlich nichts Verbotenes tat, wenn er sich wie Old Pecos ein wenig umsah.
    Von seinen Kameraden unbemerkt, stahl er sich von der Lichtung...
    ***
    Hier gab es keine Pfade. Der kleine Fritz suchte sich einen Weg durch abgefallenes Laub und durch Unterholz. Bald waren seine Waden verschrammt, an denen die Kniestrümpfe hinuntergerutscht waren. Angst, sich zu verlaufen, hatte er keine, denn er brauchte ja nur wieder bergauf zu gehen, wenn er zur Lichtung zurück wollte.
    Hoch ragten die Bäume neben ihm auf, und er ging dahin wie unter einem grünen Dach. Grün waren auch die Wände dieser Kathedrale der Natur, und ab und zu irrte ein Sonnenstrahl über die Blätter, verteilte Lichtpunkte ins Halbdunkel.
    Der Bub kletterte über einen umgestürzten Baumstamm. Sein Gesicht war gerötet. Wenn er sich jetzt vorstellte, daß jeden Moment Indianer aus den Büschen tauchen konnten? Oder von den Bäumen heruntersprangen?
    Vorsichtshalber ließ er seinen Blick die Stämme hinaufwandern.
    Der Lärm von der Lichtung war schon längst verklungen. Vogelstimmen mischten sich in das stete Rascheln der Blätter. Fritz erkannte den Schrei des Hähers und das Tschirpen einer Buntmeise. Irgendwo klopfte ein Specht die Rinden nach Würmern und Maden ab.
    Das Gelände fiel jetzt steiler ab und wurde felsiger. Wie Walrosse an den Stränden der arktischen Meere erhoben sich schmutziggraue, bemooste Felsen aus dem Waldboden. Der Baumbestand wurde lichter.
    Der Bub kletterte über die Hindernisse immer tiefer hinab, bis er vor einer hochaufragenden Felswand stand. Die schmale, dunkle Spalte in halber Höhe war unübersehbar.
    Fritzchen erschauerte.
    Eine Höhle! Er hatte eine Höhle entdeckt.
    Unschlüssig schaute er noch eine Weile hinauf, dann hatte Neugierde die aufkeimende Angst besiegt. Er machte sich an den Aufstieg. Zweieinhalb Meter mußte er schaffen, und der Stein bot kaum Vorsprünge, an denen er sich festhalten konnte. Aber was Fritz sich einmal in seinen Kopf gesetzt hatte, gab er nicht so schnell wieder auf.
    Verbissen klammerte er sich an Felsen und Wurzelwerk und zog sich höher. Schließlich hatte er die Strecke geschafft. Aufatmend zog er sich über die Kante. Da würden seine Freunde staunen, wenn er ihnen von seinem
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