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Junimond (German Edition)

Junimond (German Edition)

Titel: Junimond (German Edition)
Autoren: Katrin Bongard
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11 Jahre später
    1
    »Achte immer auf den Horizont.«
    (Fluch der Karibik III)
    Samstagnacht
    Eine Currywurstbude in Mitte war nicht der Ort, an dem man Ares normalerweise suchen würde. Und genau deshalb genoss er den Ketchup-verschmierten Plastikstehtisch, die müde herunterhängende Lichterkette an der aufgeklappten Ladenfront des Imbisswagens, das fahle Licht der Straßenlaterne und seine eigene übermüdete Stimmung. Eigentlich fehlte nur noch ein Hund, der vor ihm auf den Gehsteig kackte. Eine Szene wie aus einem Independent-Film: Blasse Farben, starke Aufblenden, undurchsichtige Charaktere und niemand weiß genau, worum es eigentlich geht. Ein kleiner Film über einen melancholischen Helden auf der Suche nach sich selbst.
    Ares sah zu der korpulenten Frau im Imbisswagen, die unentschlossen die letzten zwei Bratwürste auf dem Grill hin und her schubste und versuchte, ihn wahlweise streng anzusehen oder zu ignorieren. Sie war nicht unbedingt die ideale Zuschauerin, aber darauf kam es bei diesem Film sowieso nicht an. Im Imbisswagen lief ein deutscher Schlager. Grausam und einfältig. Ares dachte an seine Band. Sie brauchten wirklich einen Agenten. Jemanden, der ihnen etwas abnahm: Auftrittsorte finden, Musikvideos produzieren, Verträge abschließen. Eigentlich alles, abgesehen vom Musik machen. Wobei das auch ein Problem war. Aber deshalb waren sie ja eine Punk-Band. Und Nick sollte sich endlich dazu durchringen, mit ihm Songs zu texten und aufzutreten. Auch wenn noch nicht alles perfekt war.
    Ares nippte an der lauwarmen Cola. Seit er sich mit vierzehn, was ihm wie eine Ewigkeit vorkam, mit Bier und Schnaps ins Koma getrunken und zwei Tage mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus gelegen hatte, vertrug er weder Bier noch sonstigen Alkohol. Schon der Geruch löste bei ihm Übelkeit aus. Aber vielleicht war es ja besser so. Bestimmt. So blieb der Geist klar und fokussiert auf einen höheren Plan. Ares Plan. Der Welt etwas beweisen, zeigen, was in ihm steckte, zu was er fähig war. Eigentlich egal womit. Groß, einflussreich und berühmt werden. Und geliebt. Natürlich auch geliebt. Von den Massen und einer Frau, die er noch finden musste und für die er notfalls auch alles aufgeben würde. Ares seufzte. Das war der Punkt, an dem sich seine Gedanken regelmäßig verwirrten und er dieses Gefühl im Magen bekam. Als ob nichts wirklich wichtig wäre, außer geliebt zu werden. Und all diese Sehnsucht nach Ruhm und Berühmtheit eigentlich nur ein Ersatz dafür war.
     
    Ares von Bergdorff

2
    Sonntagmorgen
    Ares stand am Fenster in der Küche und sah hinaus. Er aß im Stehen und dachte über die Nacht nach. Weil Nick keine Zeit gehabt hatte, war er allein von Potsdam nach Berlin Mitte gefahren und durch die Clubs und Bars gezogen. Man musste doch mal rauskommen, in die Welt gehen.
    Was für eine Nacht! Und das alles nüchtern. Und das Mädchen seiner Träume hatte er auch nicht gefunden. Vermutlich hatte Nick Recht: Seine große Liebe traf man mit Sicherheit an Orten, an denen man nicht nach ihr suchte. Man öffnete ihr zum Beispiel die Tür, weil man auf ein Päckchen von Amazon wartete. Und sie wollte Gesundheitstee verkaufen oder eine Versicherung oder hatte sich in der Haustür geirrt. Und dann stand man ihr einfach gegenüber. In irgendeiner schlabbrigen Jogginghose. Unrasiert und unausgeschlafen. Oder man sah sie im Supermarkt. Sie kaufte Erdbeeren und Champagner für ihren Verlobten. Und man selber war vermutlich mit einem Wagen voll leerer Bierflaschen unterwegs und konnte ihr nicht erklären, dass man den Pfand beim Ching-Chang-Chong gewonnen hatte und ihn sich abholte, weil das Teil des Spiels war. Und eigentlich hatte man gar nicht gewonnen, sondern verloren und das würde sie natürlich sofort durchschauen. Oder sie war eine Krankenschwester, die ihm die blutigen Kleider vom Körper schälte, nachdem er sich mit dem Motorrad hingelegt hatte. Immerhin hatte man es schon so weit gebracht. Ein eigenes Motorrad, eine Enduro natürlich. Und sie musste einen komplett ausziehen, was während ihrer langen Beziehung immer ein Thema sein würde: »Du warst ja so verlegen und dann bist du in Ohnmacht gefallen. Wie ein Mädchen.«
    Ja, ja .
    Kurz: Auf diese Begegnung würde er sich nicht vorbereiten können. Sie würde unerwartet, am falschen Platz und zur falschen Uhrzeit eintreten und mit Sicherheit in den falschen Klamotten. Also: relax . Über diese Begegnung brauchte man sich definitiv keine Sorgen zu machen. Er
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