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0811 - Dämonensplitter

0811 - Dämonensplitter

Titel: 0811 - Dämonensplitter
Autoren: Volker Krämer
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langes tiefschwarzes Haar, das bis weit in seinen Rücken fiel.
    Dass er es hier mit einem außergewöhnlichen Exemplar des Nachtvolkes zu tun hatte, war Gryf längst schmerzlich bewusst geworden. Ebenfalls, dass sein Gegenüber dieses Massaker ganz sicher nicht angerichtet hatte.
    Er musste sich eine andere Strategie ausdenken, wenn er das hier siegreich beenden wollte.
    Der schwarze Schatten hob die rechte Hand, als wolle er so Gryfs nächste Aktion im Vorfeld unterbinden.
    Langsam bewegte er sich auf den Silbermond-Druiden zu. Als er zu sprechen begann, war Gryf von seiner suggestiv-beruhigenden Stimme fasziniert.
    »Hör mir zu. Zügle deine Emotionen für eine kurze Weile. Ich weiß, du würdest mich am liebsten sofort töten, mich endgültig auslöschen, denn in deinen Augen habe ich nichts anderes verdient. Kann sein, dass du damit sogar im Recht bist. Zumindest von deiner Warte aus magst du es so sehen. Doch jetzt lass mich reden. Was ich zu sagen habe, ist wichtig für uns beide. Für dich und mich - für unsere Welten. Der Graue ist unterwegs. Ich ahne, wer er ist. Und deshalb musst du mich sofort zu Professor Zamorra bringen…«
    ***
    Die Schmerzen kehrten zurück.
    Länger als fünf, höchstens sechs Stunden hielt die Wirkung der Medikamente nicht vor. Man ließ ihr das Schmerzmittel niemals da. Immer wurde es ihr gebracht - jedoch nicht immer rechtzeitig. Vielleicht fürchtete man, sie würde zu viel davon nehmen, würde versuchen, sich mit einer gewollten Überdosis das Leben zu nehmen.
    Nein, das hätte sie ganz sicher nicht getan. Zumindest noch nicht. Vielleicht würde sie in einigen Tagen anders darüber denken, doch ehe sie die Rätsel um sie herum nicht gelöst hatte, konnte sie sich nicht einfach so davonstehlen. Zunächst wollte sie Antworten…
    Seltsam, dass sie das nahende Ende der schmerzfreien Phase immer zuerst in ihren Beinen spürte. Es war, als würde von den Füßen herauf ihre Haut unter Strom gesetzt. Millionen winziger Flammen züngelten zu den Knien herauf, breiteten sich auf ihren Schenkeln aus und setzten ihren feurigen Weg zu ihren Hüften hin fort. Es war ein grässliches Gefühl, zumal sie wusste, was als nächstes kommen musste.
    An ihrem Kopf angelangt verwandelte sich das beißende Brennen in kalten Schmerz, der - endlich an seinem Zielpunkt angelangt - ihre Schädeldecke in Besitz nahm. Von dieser Sekunde an würde die Qual sie nicht mehr verlassen, bis man ihr die drei rosaroten Pillen brachte, die ihr Leben für die kommenden Stunden erträglich machen würden.
    Und was, wenn einmal niemand kommt?
    Diese Frage lähmte jeden Willen in ihr.
    Vor einigen Tagen hatte man sie zum ersten Mal aufstehen lassen. Gestützt von den beiden Frauen, die ihre ständige Pflege durchführten, hatte sie auf wackeligen Beinen die ersten Schritte durch das Zimmer gemacht. Am geöffneten Fenster hatten ihre Lungen gierig die klare Luft aufgesogen. Und ihre Augen wollten den Blick von der Landschaft da draußen überhaupt nicht mehr abwenden.
    Er war nicht dabei gewesen. Seit mehr als einer Woche war er nicht mehr in ihr Krankenzimmer gekommen. Sie war froh darüber, denn seine Gegenwart, die Dinge, die er zu ihr sagte, das alles erschütterte und verunsicherte sie immer wieder.
    Oft saß er stundenlang an ihrem Bett, sah sie nur an. Seine Augen, deren Farbe sie nicht zu bestimmen vermochte, fraßen sich in ihren Blick. Manchmal zog er die Decke von ihrem Körper und betrachtete sie in ihrer Nacktheit. Er berührte sie nicht, niemals, und trotzdem fühlte sie sich benutzt.
    Der Schmerz hockte wie ein böses Tier in ihrem Kopf.
    Vorsichtig setzte sie sich in ihrem Bett auf. Irgendwie musste sie sich ablenken. Als ihr Blick auf das Fenster traf, wusste sie genau, was sie tun wollte. Langsam schob sie ihre Beine über die Bettkante. Die ersten Schritte überstand sie nur mit Glück. Doch dann schien ihr Körper bereit zu sein, es allein zu versuchen. Mit unsicheren kleinen Schritten durchquerte sie den Raum.
    Um an das Fenster zu reichen, musste sie sich etwas einfallen lassen. Mit Mühe schob sie den grob gezimmerten Stuhl vor das Fenstersims. Schwer atmend kletterte sie auf seine Sitzfläche. Die Schwäche wollte ihren Körper immer wieder übermannen, doch sie wehrte sich vehement dagegen.
    Wieder einmal fragte sie sich, warum sie so klein gewachsen war. Die Frauen, die sie betreuten, waren nicht älter als sie selbst, doch sie überragten ihre Patientin turmhoch.
    Was bin ich? Eine…
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