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0807 - Universität der Dämonen

0807 - Universität der Dämonen

Titel: 0807 - Universität der Dämonen
Autoren: Dirk van den Boom
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Fakultät und hatte den Gastauftritt Zamorras eingefädelt. »Ich hoffe, Sie haben einen positiven ersten Eindruck von unserer Universität bekommen, verehrter Herr Kollege?«
    Zamorra spürte einen unerwarteten sanften Stich. Diese Anrede erinnerte ihn an die Karriere, die er in seiner Vergangenheit eines Tages bewusst abgelehnt hatte, obgleich sich ihm viele Türen geöffnet hatten. Dass er selbst noch den Titel eines Professors trug, hatte mehr mit der Dankbarkeit diverser Universitäten zu tun, für die er hin und wieder Gastvorträge hielt und begleitende wissenschaftliche Arbeiten durchführte.
    Doch Zamorra wusste, dass er ein anderes Leben hätte führen können: Ein Leben der Wissenschaft gewidmet, dem Durst nach Wissen folgend, Erkenntnis um der Erkenntnis willen ansammelnd. Die Idee sprach auch heute noch einen Teil von Zamorras Persönlichkeit an - den Teil, der sich gerne stundenlang in alten Archiven und Bibliotheken hinter staubigen Folianten verbarg und, jedem Zeitempfinden entrückt, ständig neue Geheimnisse auf den Seiten dieser Bücher fand.
    Zamorra fand, dass dieser Besuch bereits jetzt zu viele alte Hoffnungen und Wünsche in ihm aufrührte, und er begann, seine innere Gelassenheit einzubüßen. Er mahnte sich zur Selbstdisziplin.
    »Ein sehr schönes Gebäude«, lobte er.
    »Wir halten es gut in Schuss… Ah, Professor Schoenmeister!«
    Zamorra erhob sich wieder und durfte diesmal einem älteren Herrn mit weißem Bart und einer etwas wirren grau melierten Frisur die Hand geben. Den Juristen sah man ihm nicht an, aber Zamorra hatte sich schon lange abgewöhnt, vom Äußeren auf weitere Aspekte seiner Gegenüber zu schließen.
    Ihm blieb auch keine Zeit, sich allzu viele Gedanken dazu zu machen, denn rasch entwickelte sich ein Gespräch über den Ablauf des Seminars, das seine Aufmerksamkeit voll beanspruchte.
    Nach einer knappen Stunde waren sie fertig. Das Seminar selbst sollte am frühen Abend beginnen. Nach einer wortreichen Verabschiedung in Rösens Büro lud Schoenmeister seinen Gast noch in die Cafeteria ein.
    Auch hier zeigte sich, dass die Vincent-Universität Geld hatte. Der helle, lichtdurchflutete Raum, in dem man sowohl Mahlzeiten zu sich nehmen als auch in Leseecken entspannen konnte, sah von innen eher wie eine »Recreation Area« eines New Yorker Wolkenkratzers im Geschäftsviertel aus. Da gerade Vorlesungen stattfanden, waren viele Plätze frei, und die beiden Männer setzten sich an die großen Panoramafenster, die einen Ausblick auf den Universitätspark gestatteten. Sie bestellten Kaffee und Gebäck. Man wurde bedient.
    Das Gespräch plätscherte dahin, bis Schoenmeister sagte: »Wissen Sie, Professor, ich habe zwar alle Ihre Schriften gelesen, doch die Frage, die ich darin nicht beantwortet fand, war: Wie geht es vonstatten, wenn ein Mensch von einem Dämon besessen wird?«
    Zamorra runzelte die Stirn, rührte in seinem Kaffee und fragte sich, wie er mit diesem plötzlichen Themenwechsel umgehen sollte.
    In den Augen Schoenmeisters sah er jedoch echtes Interesse, ja sogar etwas Sorge, und das bewog ihn, so ehrlich wie möglich zu antworten.
    »Nun, das kann ganz verschiedene Ausprägungen haben, abhängig vom Ziel dieses Dämons. Manche schieben die Persönlichkeit eines Menschen fast vollständig beiseite und benutzen seinen Körper wie eine Hülle. Andere verstärken die negativen Aspekte einer Persönlichkeit und handeln durch diese, lassen dem Besessenen aber im Rahmen dieser Negativität durchaus eine gewisse Handlungsfreiheit. Wieder andere wirken mehr im Hintergrund, nahezu subtil, was dazu führt, dass diese Art der Besessenheit nur schwer von außen erkennbar wird. Solche Dämonen verfolgen oft langfristige Ziele, sind ausgesprochen geduldig und meist hochintelligent. Das kommt eher… selten vor.«
    Schoenmeister lächelte verlegen. »Das heißt, die landläufige Vorstellung des mit Brachialgewalt vorgehenden Dämons, dessen größte Freude es ist, seine Opfer dazu zu befähigen, ihren Kopf um 180 Grad drehen zu können…«
    »… ist exakt das, eine landläufige Vorstellung«, vervollständige Zamorra den Satz. »Die Dämonenwelt ist nach meiner Kenntnis außerordentlich vielfältig, trotz aller Hierarchien komplex und widersprüchlich. Ich selbst kenne noch gar nicht alle Spielarten dämonischen Handelns und Strebens und werde oft genug mehr als unangenehm überrascht. Ich beschäftige mich mit dieser Thematik seit vielen Jahrzehnten, und doch will ich nicht
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