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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste
Autoren: Lee Child
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nahm mir vor, ihr einen GTO zu schenken, falls ich jemals im Lotto gewann.
    Willard bog vom Parkplatz aus in meine Richtung ab. Ich rutschte noch tiefer und ließ ihn passieren. Dann wartete ich, wendete und folgte ihm. Er war leicht zu beschatten. Bei offenem Fenster hätte ich mich allein am Geräusch orientieren können. Er fuhr ziemlich langsam, blieb weit in der Straßenmitte. Ich hielt Abstand, damit er nur Berufsverkehr im Rückspiegel sah. Er war zu den östlichen Washingtoner Vororten unterwegs. Ich vermutete, dass er seit seiner Zeit im Pentagon etwas in Arlington oder Maclean gemietet hatte. Hoffentlich kein Apartment. Aber ich tippte eher auf ein Haus. Mit einer Garage für das Muskelauto.
     
    Es war ein Haus, das im Niemandsland nördlich von Arlington an einer ländlichen Straße lag. Massenhaft Bäume, die meisten kahl, einige immergrün. Die Grundstücke waren unregelmäßig
geschnitten, die Einfahrten lang und kurvig. Die Bepflanzung war spärlich. Am Anfang dieser Straße hätte ein Schild stehen sollen: Nur für geschiedene oder ledige Staatsbedienstete mit mittlerem Einkommen. Dafür war sie geradezu typisch. Nicht völlig ideal, aber doch viel besser als schnurgerade Wohnstraßen mit genau gleich großen Vorgärten voller kreischender Kinder und besorgter Mütter.
    Ich fuhr an Willards Haus vorbei, parkte eine Meile weiter und blieb im Auto sitzen, bis es dunkel wurde.
     
    Ich wartete bis neunzehn Uhr, dann brach ich zu Fuß auf. Kein Mond. Kein Sternenschein. Ich trug meinen Kampfanzug mit dem Tarnmuster »Waldland«. Darin war ich so unsichtbar, wie das Pentagon mich nur machen konnte. Ich rechnete damit, dass die meisten Häuser dieser Straße um sieben Uhr abends noch leer sein würden, weil viele Staatsdiener mit mittlerem Einkommen den Ehrgeiz hatten, in höhere Gehaltsklassen aufzusteigen, und deshalb lange im Büro blieben, um ihre Vorgesetzten zu beeindrucken. Ich folgte einer Straße, die hinter Willards Haus vorbeiführte, und fand auf ungefähr richtiger Höhe gleich zwei verwilderte Grundstücke. In keinem der beiden Häuser brannte Licht. Ich ging die Einfahrt entlang, machte einen Bogen um eines der unbeleuchteten Gebäude und durchquerte den Garten hinter dem Haus. Ich blieb kurz stehen. Nirgends Hundegebell. Ich wandte mich nach links und marschierte an den Grenzzäunen entlang, bis der Garten hinter Willards Haus vor mir lag. Er sah verwahrlost aus, und mitten auf dem ungepflegten Rasen stand ein verrosteter Grill.
    Ich bog einen Zaunpfosten zur Seite und schlüpfte hindurch. Schlich durch Willards Garten und um die Garage herum zur Haustür. Dort brannte kein Licht. Die Sicht aus Richtung Straße war halb frei, halb verdeckt. Nicht ideal, aber auch nicht schlecht. Ich drückte mit dem Ellbogen auf den Klingelknopf. Hörte drinnen eine Glocke schrillen. Nach einer kurzen Pause waren Schritte zu vernehmen. Ich trat etwas von der Tür zurück.
Willard öffnete. Er wollte nicht einmal wissen, wer da war. Vielleicht hatte er chinesisches Essen bestellt oder eine Pizza.
    Ich stieß Willard eine Faust gegen die Brust, um ihn zurückzudrängen, trat über die Schwelle und schloss die Tür mit einem Fuß. Im Haus sah es erbärmlich aus. Die Luft roch abgestanden. Er klammerte sich nach Atem ringend am Treppenpfosten fest. Meine Gerade traf ihn mitten ins Gesicht und brachte ihn zu Fall. Er rappelte sich auf allen vieren auf, und ich trat ihn kräftig in den Hintern, traktierte ihn weiter mit Fußtritten, bis er begriff, was er tun sollte, und so rasch wie möglich in Richtung Küche davonkroch. Als er dort angekommen war, drehte er sich um und saß nun mit dem Rücken an einen Schrank gelehnt auf dem Fußboden. Aus seinem Blick sprach Angst, aber auch beträchtliche Verwirrung. Als könnte er nicht glauben, was mit ihm geschah. Als dächte er: Scheiße, das alles wegen einer Disziplinarsache? Sein Bürokratenverstand kam da einfach nicht mit.
    »Haben Sie von Vassell und Coomer gehört?«, wollte ich wissen.
    Er nickte, hastig und ängstlich.
    »Erinnern Sie sich an Leutnant Summer?«, fragte ich ihn.
    Er nickte wieder.
    »Sie hat mich auf etwas aufmerksam gemacht«, erklärte ich. »Irgendwie offensichtlich, aber Summer hat gesagt, dass sie damit durchgekommen wären, wenn ich Sie nicht ignoriert hätte.«
    Er starrte mich nur an.
    »Das hat mich nachdenklich gemacht«, fuhr ich fort. »Was genau habe ich eigentlich ignoriert?«
    Er schwieg.
    »Ich habe Sie falsch eingeschätzt«,
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