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078 - Im Netz der Lüge

078 - Im Netz der Lüge

Titel: 078 - Im Netz der Lüge
Autoren: Claudia Kern
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zum Abend schnappte Stalin mehr als ein Dutzend Mal nach mir oder meinen Begleitern, schlug rund zwanzig Mal mit den Hinterläufen aus und versuchte uns mehrfach mit seinen viel zu langen Hörnern aufzuspießen.
    Danach beruhigte er sich ein wenig.
    Ich fragte die Männer, was mit dem Tier sei, aber sie wussten keine Antwort.
    Nur Tootooz, ein Fährtensucher aus den Wäldern Arkansas', sagte, er hätte von so etwas schon einmal gehört.
    Stalin, so behauptete er, wäre ein heiliges Tier, das geschickt worden sei, um mich zu prüfen. Es sei eine große Ehre, auf diese Weise von den Göttern erwählt zu werden. Ich fragte ihn, ob er die Reittiere tauschen wolle, um diese Ehre selbst zu erfahren, aber er lehnte mit zahlreichen Ausreden ab. Es scheint so, als müssten das Yakk und ich noch eine Weile zusammenbleiben.
    Mittlerweile beschränkt sich Stalin auf vier bis fünf Mordversuche am Tag.
    Sein neuester (und bisher leider auch erfolgreichster) Trick besteht darin, mich so lange in Sicherheit zu wiegen, bis ich im Sattel einnicke, und dann in aller Ruhe nach einem Ast zu suchen, der niedrig genug hängt, um mich von seinem Rücken zu fegen. Zwei Mal ist es ihm bereits gelungen, was peinlich genug ist. Schließlich bin ich ein Men-
    sch mit einem hochentwickelten Gehirn und er ist trotz aller Evolution und Mutation nicht mehr als eine langhaarige, übergroße Kuh. Und ich werde mich nicht noch einmal von einer Kuh austricksen lassen.
    Jed schloss das Buch und wickelte es sorgfältig in die wasserdichte Folie ein, bevor er es in einer Tasche verstaute.
    Die halb verheilte Platzwunde auf seiner Stirn juckte. Er widerstand dem Impuls, sich zu kratzen, und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
    Draußen hörte er das sanfte Rauschen des Windes und das Glucksen der Wellen. Es war ein seltsames Gefühl, das Ziel der Reise erreicht zu haben und doch nichts zu finden. Der Kratersee sah aus wie jeder andere See.
    Jed wusste nicht genau, was er erwartet hatte, aber nach all den Entbehrungen, dem Leid und den Strapazen hatte er geglaubt, etwas Wundervolles und Göttliches zu finden, so etwas wie den Heiligen Gral oder einen Jungbrunnen.
    Gefunden hatten sie jedoch nur Wasser, Wälder und einige intelligente, vierarmige Mutationen, die sich Rriba'low nannten und friedlich als Fischer in kleinen Dörfern lebten. Unter normalen Umständen hätte ihr einzigartiges Äußeres und ihre Kultur Jed fasziniert, aber hier enttäuschten sie ihn beinahe, so als wären sie keine angemessene Belohnung für das, was hinter ihm lag.
    Was wir hier entdeckt haben , dachte er, rechtfertigt keinen einzigen Toten.
    Wir…
    »Wachen! Hierher!«
    Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
    Neben ihm setzte sich Majela mit einem Ruck auf und hatte ihren Driller bereits in der Hand, bevor sie die Augen öffnete.
    »Was ist passiert?« , fragte sie.
    Jed öffnete den Reißverschluss des Zelteingangs. »Ich weiß es nicht« , sagte er, aber ein Teil von ihm ahnte, dass es auf diese sinnlosen Reise einen weiteren sinnlosen Tod gegeben hatte.
    ***
    Schafe zählen.
    Das war alles, was Maddrax mit geschlossenen Augen gemurmelt hatte, seine einzige Reaktion darauf, dass Aruula sich seit Stunden hin und her wälzte, ohne Schlaf zu finden. Jeden Trick hatte sie versucht, von Gebeten zu Morphee, dem Gott des Schlafes, über das Einreiben der Schläfen mit Asche, bis hin zu komplizierten Ritualmustern, die sie mit ihrer Schwertspitze in den weichen Waldboden gezogen hatte, um die Geister, die den Schlaf raubten, zu vertreiben.
    Nichts hatte genützt. Und Maddrax, der Mann, der aus einer Zeit voller unglaublicher Wunder stammte und stählerne Vögel durch den Himmel steuern konnte, schien ebenfalls keine vernünftige Antwort auf ihr Problem zu haben.
    Schafe zählen , dachte Aruula. Wenn ich wenigstens wüsste, was ein Schaf ist , dann könnte ich es vielleicht auch zählen.
    Sie setzte sich auf und starrte in die Nacht. Neben ihr zog Maddrax die Decke über seine Schultern, ohne aufzuwachen.
    Es war kalt und die Feuchtigkeit kroch unaufhaltsam durch die Felle und Schlaf sacke, mit denen sie sich zu schützen versuchten. Am Vorabend hatten sie eine Höhle gefunden, aber nicht benutzen können, weil der Raubtiergeruch darin frisch und stark war. Aruula hatte keine Ahnung, welches Wesen sich diesen Unterschlupf als Schlafstelle ausgesucht hatte, aber die Knochen am Eingang waren groß gewesen - größer als die eines Menschen.
    Schließlich hatte die Gruppe sich für
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