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0745 - Angst über Altenberg

0745 - Angst über Altenberg

Titel: 0745 - Angst über Altenberg
Autoren: Jason Dark
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Stufen, und sie taten ihm nicht immer gut. Da kamen - bildlich ausgedrückt - Himmel und Hölle zusammen, trafen brutal aufeinander, zerstörten sich, kehrten wieder zurück, und all die Gefühle waren für mich auf dem Gesicht des Jungen zu lesen.
    Bis das Kreuz ihn erreichte.
    Da schrie er noch einmal.
    Diesmal war es kein Triumph. Ein Schrei der Wut, des Schmerzes, vielleicht auch der Enttäuschung. Ich hatte den Eindruck, als würde aus seinem Mund ein grauer Schatten huschen, konnte mich aber auch täuschen. Jedenfalls war es meinem Kreuz gelungen, die andere Kraft aufzuheben, und der Junge fiel nach unten.
    Ich sprang ebenfalls von der Bank zurück auf den Boden und packte zu, bevor er auf das harte Gestein fallen und sich möglicherweise noch etwas brechen konnte.
    Sein Gewicht riß mich trotzdem um. Wir beide rollten um die eigene Achse, ich hörte ihn weinen, und gerade deshalb durchströmte mich ein Glücksgefühl. Weinen ist menschlich, denn es gehört zum Leben wie auch das Lachen.
    Schließlich saßen wir beide nebeneinander, und ich hielt Elohim in den Armen. Mit der flachen Hand fuhr ich durch sein Gesicht und über die Nässe auf seinen Wangen hinweg.
    Er zuckte, und ich nahm das Kreuz wieder an mich, das neben uns gefallen war.
    Ich wußte, wer die Mutter war, aber ich wußte nicht, ob sie sich ganz zurückgezogen hatte. Einer Unperson wie Lilith es eine war, durfte man nicht trauen.
    Im Moment dachte ich nicht an sie. Lilith kannte ich, nun wußte ich auch, wer Elohims Mutter war.
    Aber wer war sein Vater?
    Das mußte er mir sagen, wenn er dazu in der Lage war. Ich wollte ihn erst nach einer Weile fragen.
    Das aber würde wahrscheinlich nicht nötig sein, denn vom Ausgang her drang ein bestimmtes Geräusch an meine Ohren. Dort öffnete jemand die Tür.
    Mich überlief ein Schauer.
    Ich drehte den Kopf, denn in den nächsten Sekunden würde ich wissen, wer Elohims Vater war.
    Ich hörte Schritte.
    Es war also ein Mensch, kein Geist, denn ein Geist brauchte nicht normal zu gehen.
    Mein Atem stockte.
    Noch blieb mir etwas Zeit, und ich schob den Jungen von mir. Er sollte mich nicht behindern, denn alles war möglich, auch daß mir sein Vater feindlich gegenüber stand.
    Fragend schaute mich der Junge an.
    Ich legte einen Finger auf den Mund.
    Elohim verstand, aber er hatte die Schrittgeräusche ebenfalls gehört und drehte den Kopf, weil er zum Ausgang hin schauen wollte. Dort bewegte sich etwas. Ein Schatten, der mir vorkam, als sollte er aus dem tiefen Dunkel in das etwas bessere graue Licht gezogen werden, um ihn besser erkennen zu können.
    Der Junge preßte plötzlich seine Hand auf das Herz. Ein Zittern durchlief seine Gestalt.
    Hatte er vorhin die Hölle durchlitten, erreichte ihn jetzt möglicherweise das Gegenteil.
    »Mein… mein… Vater?« hauchte er.
    Ich nickte. »Du mußt es doch besser wissen.«
    »Ja, John Sinclair. Es… es ist mein Vater. Ich spüre es, denn er hat alles andere weggedrängt. Er ist mein Vater. Er und kein anderer ist es. Das weiß ich jetzt.«
    Ich stand längst neben ihm, und auch Elohim erhob sich jetzt. Er setzte sich auf die Außenkante einer Bank, während die hallenden Tritte sich verstärkten und sich die andere Gestalt immer mehr aus dem Dämmer hervorschälte.
    Auch bei mir erreichte die Spannung den Siedepunkt. Noch konnte ich ihn nicht genau erkennen, weil es in dem Dom einfach zu dunkel war. Aber ich sah, daß er dunkles Haar hatte, es war zu erkennen, als er den Restschein eines einsamen Kerzenlichts passierte.
    Da warf die Flamme einen rötlichen Reflex auf das düstere Haar, dann auf das Gesicht, und plötzlich kam mir die Erkenntnis.
    Da war er schon so nahe, daß ich ihn identifizieren konnte.
    Elohims Vater war - Raniel!
    ***
    Raniel, der Engel.
    Raniel, der Gerechte!
    Nein, ich bekam keinen Schock, aber ich wußte jetzt, daß es Zusammenhänge gab, die möglicherweise als Saatgut schon in der Urzeit gelegt worden waren.
    Raniel!
    Ich war nicht einmal in der Lage, seinen Namen auszusprechen. Ich ließ ihn kommen, doch er sah mich nicht an, sondern hielt seinen Blick auf Elohim gerichtet.
    »Vater…?«
    Der Gerechte nickte. Er trug wieder seine dunkle Kleidung, die ihn so altmodisch und wie aus dem letzten Jahrhundert stammend aussehen ließ. Ganz in Schwarz, wie sein langes, dichtes Haar, das ein bleiches, trotzdem schattenhaft düster wirkendes Gesicht umrahmte, wie von einem Maler geschaffen. Dunkle Augen richteten sich auf Elohim, der sich zum
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